Hans Reichenbach an Rudolf Carnap, 21. Oktober 1931 Oktober 1931

Lieber Carnap‚

beiliegend Durchschlag meines Briefes an HärlenPHärlen, Hasso, 1903-1989, dt. Mathematiker.

Den Betrag von Symbol 14‚85 überweise ich Ihnen auf Ihr Postscheckkonto.

Ich schicke Ihnen einliegend eine Arbeit, die einer meiner hiesigen Schüler ausgearbeitet hat. Es handelt sich um die symbolische Formulierung der HilbertschenPHilbert, David, 1862–1943, dt. Mathematiker Axiomatik. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Arbeit auf ihre Richtigkeit hin durchsehen würden. Ursprünglich hatten wir die Arbeit gemeinsam im Seminar angefangen, dann stellte sich heraus, daß es doch recht schwierig war, da die HilbertschePHilbert, David, 1862–1943, dt. Mathematiker Fassung doch an manchen Stellen verschärft werden mußte. Herr HelmerPHelmer, Olaf, 1910–2011, dt.-am. Mathematiker und Philosoph, verh. mit Eileen Helmer, danach mit Helen Mary Helmer hat die Arbeit dann zu Ende geführt. Wir wollten Sie schon bitten, in Ihrem AbrißB den Schwierigkeitsgrad dieser Aufgabe doch um 1 zu erhöhen! Ich habe den Eindruck gewonnen, daß sich eine Veröffentlichung doch lohnen würde, besonders auch um der Ergebnisse willen, die HelmerPHelmer, Olaf, 1910–2011, dt.-am. Mathematiker und Philosoph, verh. mit Eileen Helmer, danach mit Helen Mary Helmer in den Vorbemerkungen mitgeteilt hat. Ich könnte es im nächsten Jahr in die „Erkenntnis“IErkenntnis, Zeitschrift nehmen; wenn ich auch in der „Erkenntnis“IErkenntnis, Zeitschrift nicht gern viel logische Formeln bringe, so kann man vielleicht wegen der Kürze der Arbeit und der Bedeutung der HilbertschenPHilbert, David, 1862–1943, dt. Mathematiker Axiomatik mal eine Ausnahme machen. Jedenfalls wäre ich Ihnen über ein Urteil der Arbeit sehr zu Dank verpflichtet, besonders auch wegen der Fassung der Stetigkeitsaxiome, (S. 17) die am meisten Schwierigkeiten gemacht haben. Vor der Veröffentlichung würde ich es auch noch gern an BernaysPBernays, Paul, 1888–1977, dt.-schweiz. Mathematiker schicken und seine Meinung bezüglich des Vollständigkeitsaxioms einholen. Evtl. könnte man auch, wenn Sie oder BernaysPBernays, Paul, 1888–1977, dt.-schweiz. Mathematiker noch mehr zu der Sache zu bemerken haben, Ihre Briefe in Form eines Anhangs mitteilen. 🕮

Hier tagt in diesen Tagen der Hegel KongreßI: wir haben uns einiges angehört, während sich unsere Haare bis zum Himmel sträubten. Nicolai HartmannPHartmann, Nicolai, 1882–1950, dt. Philosoph hat die schöne Entdeckung gemacht, daß dem Widerspruch zwischen Aussagen in den realen Dtypo? Dingen ein Widerstreit korrespondiert, und wir werden uns also bemühen, künftig widerspruchsvolle Satzsysteme Modelle mit „Widerstreit“ zu konstruieren! Dabei ist der HegelPHegel, Georg Wilhelm Friedrich, 1770–1831, dt. Philosoph nun 100 Jahre tot, aber diese Leute sind wie die Schlangentiere, wenn man einen Kopf abhaut, wachsen zwei wieder und werden dann auf philosophische Ordinariate gesetzt.

Ihr Psychologie ManuskriptB habe ich jetzt an KöhlerPKöhler, Wolfgang, 1887-1967, dt. Psychologe geschickt, der sich dafür interessiert.

Bitte schreiben Sie mir doch, an welche Referenten ich SchlicksPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick EthikBSchlick, Moritz!1930@Fragen der Ethik, Wien, 1930 und NeurathsPNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath SoziologieBNeurath, Otto!1931@„Soziologie im Physikalismus“, Erkenntnis 2, 1931, 393-431 zur Besprechung schicken soll.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr
[Hans Reichenbach]

Anlage.

Brief, msl., 2 Seiten, HR 013-41-47; Briefkopf: msl. 21. Oktober 1931  /  Herrn Prof. Dr. Rudolf Carnap  / Prag XVII, N. Motol. Pod Homolkou.


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