NeurathPNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath berichtete uns von der Besprechung, die er mit Ihnen, GrellingPGrelling, Kurt, 1886–1942, dt. Philosoph und DubislavPDubislav, Walter, 1895–1937, dt. Philosoph hatte, und von Ihrem Wunsch, unsere Stellungnahme zu den besprochenen Fragen der Haltung der ZeitschriftIErkenntnis, Zeitschrift und der geplanten Denkschrift kennenzulernen. Ich schreibe Ihnen hiermit möglichst wörtlich die Äußerungen von SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick und HahnBHahn, Hans!1931@„Grundlagen der Mathematik“, Entwurf eines Radiovortrages, 1931. Ich schicke Durchschläge dieses Briefes an GrellingPGrelling, Kurt, 1886–1942, dt. Philosoph und DubislavPDubislav, Walter, 1895–1937, dt. Philosoph. Es würde uns sehr interessieren, von Ihnen dreien zu hören, was Sie über unsere Auffassung denken.
SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick: 1) Zeitschrift.IErkenntnis, Zeitschrift De facto existiert zwar eine Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeiter, selbstverständlich aber kann das niemals heißen, daß einer verantwortlich gemacht wird für das, was die andern schreiben; auch der Herausgeber nicht. Daher sind ReichenbachsPReichenbach, Hans, 1891–1953, dt.-am. Philosoph, ab 1921 verh. mit Elisabeth Reichenbach, ab 1946 verh. mit Maria Reichenbach Bedenken nicht recht verständlich. Jeder hat eben einzutreten für das, was er schreibt. Vielleicht kann man sich in der Weise einigen, daß alles der Form nach irgendwie Aggressive vermieden wird. Ich würde das für praktisch halten. Aber man kann das nicht als Vorschrift aufstellen.
2) DenkschriftB. Es hat schon zweimal derartige Aktionen gegeben (für Psychologie). Der Erfolg war, daß großes Geschrei erhoben wurde auf beiden Seiten, aber schließlich niemand zufrieden war. Ich würde vorschlagen: keine offizielle Aktion, sondern jeder wirke nur durch persönlichen Einfluß. Vielleicht wäre eine solche Aktion nicht nur erfolglos, sondern sogar schädlich. Falls sie in dem geplanten Sinne gemacht würde, so würden auch falsche Vorstellungen erweckt, als gäbe es Naturphilosophie und Geschichtsphilosophie getrennt, während es doch selbstverständlich nur die Philosophie (in gewissem Sinne) gibt. Auf keinen Fall dürfen wir es so darstellen, als seien wir nur „Naturphilosophen“ und auf dem übrigen Gebiet dürften die andern ihre Sache in beliebiger Weise betreiben.
HahnPHahn, Hans, 1879–1934, öst. Mathematiker, Bruder von Olga Neurath, verh. mit Eleonore Hahn: Es wäre wohl besser keine derartige Aktion zu unternehmen. Wenn aber eine gemacht wird, so sollten wir uns nicht ausschließen. Die Formulierung der DenkschriftB darf jedenfalls keine Tendenz gegen Einheitswissenschaft (und demgemäß einheitliche Philosophie) enthalten. Selbstverständlich wäre es aber wünschenswert, daß als Vertreter dieser Philosophie auch mathematisch-naturwissenschaftlich Vorgebildete berufen würden. Das Zentrum ist doch nicht zu gewinnen, ein Entgegenkommen ist da nutzlos. 🕮
NeurathPNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath hat ja mit Ihnen schon gesprochen. Er will seinen Standpunkt so formulieren: Es ist sicherlich nicht Pflicht der Redaktion der „E[rkenntnis]“IErkenntnis, Zeitschrift, für dauernde Angriffe gegen Theologie und Metaphysik Sorge zu tragen. Wohl aber kann man fordern, daß sachlich begründete Kritik an Theologie und Metaphysik in jedem Umfang geübt werden darf. Die nicht-Elimination ist Forderung. Durch Entgegenkommen, z. B. gegenüber KrausPKraus, Oskar, 1872–1942, tschech. Philosoph, wird faktisch so viel Raum aufgebraucht, daß die entscheidenden einheitswissenschaftlichen Darlegungen zu kurz kommen, bezw. zeitlich verschoben werden. NeurathPNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath hält es selbstverständlich wie wir für wünschenswert, daß an den Universitäten häufiger als heute Philosophieprofessuren mit Männern besetzt werden, die physikalisch, mathematisch und logisch geschult sind. Bezüglich der DenkschriftB schließt er sich völlig der Meinung von SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick an.
Meine Meinung über die Haltung der ZeitschriftIErkenntnis, Zeitschrift stimmt ganz mit der von Schlick überein. Über die Erfolgsaussichten einer DenkschriftB habe ich kein Urteil, bin aber einigermaßen skeptisch. Unsere Ablehnung einer Abtrennung der „Naturphilosophie“ ist Ihnen bekannt. Wollen Sie diese Abtrennung in der DenkschriftB nur aus taktischen Gründen vornehmen oder sind Sie hier auch schon in der prinzipiellen theoretischen Frage anderer Ansicht als wir? Mir scheint, daß ich die DenkschriftB als einer der Mitbetroffenen nicht selbst mitunterschreiben könnte.
Sie sehen also, daß wir in Wien über diese Fragen im Wesentlichen einer Meinung sind.
Mit besten Grüßen