Vielen Dank für Ihren Brief und seine Anregungen.
Ich habe in meinem BeitragBNeumann, John von!1931@„Die formalistische Grundlegung der Mathematik“, Erkenntnis 2, 1931, 116-121 auf die ausführlichen Literatur-Angaben aus WeylsPWeyl, Hermann, 1885–1955, dt.-am. Mathematiker und Physiker Handbuch-ArtikelB verwiesen, und selbst keine Literatur angegeben. Ich tat dies hauptsächlich, weil ich durch meine Auswahl keine Wertschätzungen geben wollte. Es gibt manche programmatische Veröffentlichungen HilbertsPHilbert, David, 1862–1943, dt. Mathematiker, in denen das bewiesen-Sein oder beinahe-bewiesen-Sein von Dingen behauptet wird, für die das auch nicht approximativ der Fall ist (Kontinuum-Problem, u.s.w.). Ich möchte dieselben daher weder ? noch richtigstellen, noch verschweigen, und glaube daher, daß ich durch einen generellen Verweis auf den Handbuch-ArtikelB noch am besten handle.
Bezüglich Ihrer Anregung über das gemeinsame Versenden der Separata möchte ich folgendes sagen:
Ich habe in Königsberg, und nachher im Briefwechsel, von K. GödelPGödel, Kurt, 1906–1978, öst.-am. Mathematiker (den Sie auch kennen?) über seine Resultate erfahren. Diese (seither veröffentlichten) Sätze zeigen, daß gewisse logische und mathematische Sätze, so z. B. die Widersprüchlichkeit der Analysis, in gewissen formal-logischen Systemen unbeweisbar sind. M. E. zeigen sie aber auch, daß dies inhaltlich unmöglich ist, denn ich bin der Ansicht, daß 🕮 alle inhaltlichen Schlußweisen in einem gewissen formalen System (das ich hier nicht näher beschreiben will, aber für welches GödelsPGödel, Kurt, 1906–1978, öst.-am. Mathematiker Sätze gelten) wiederholbar sind. Ich bin daher heute der Ansicht, daß
1. GödelPGödel, Kurt, 1906–1978, öst.-am. Mathematiker die Undurchführbarkeit von HilbertsPHilbert, David, 1862–1943, dt. Mathematiker Programm erwiesen hat.
2. Kein Anlaß zur Ablehnung des Intuitionismus mehr vorliegt (wenn man vom Ästhetischen absieht, der freilich in praxi auch für mich der ausschlaggebende sein wird).
Ich halte daher den Königsberger Stand der Grundlagenforschung für überholt, da GödelsPGödel, Kurt, 1906–1978, öst.-am. Mathematiker fundamentale Entdeckungen die Frage auf eine ganz veränderte Plattform gebracht haben. (Ich weiß, GödelPGödel, Kurt, 1906–1978, öst.-am. Mathematiker ist in der Wertung seiner Resultate viel vorsichtiger, aber m. E. übersieht er die Verhältnisse an diesem Punkte nicht richtig.)
Ich habe mit ReichenbachPReichenbach, Hans, 1891–1953, dt.-am. Philosoph, ab 1921 verh. mit Elisabeth Reichenbach, ab 1946 verh. mit Maria Reichenbach mehrfach besprochen, ob es unter diesen Umständen überhaupt Sinn hat, mein ReferatBNeumann, John von!1931@„Die formalistische Grundlegung der Mathematik“, Erkenntnis 2, 1931, 116-121 zu publizieren – hätte ich es 4 Wochen später zu halten gehabt, so hätte es ja wesentlich anders gelautet. Wir kamen schließlich überein, es als Beschreibung eines gewissen, wenn auch überholten, Standes der Dinge doch niederzuschreiben.** Ich möchte betonen: Nichts an HilbertsPHilbert, David, 1862–1943, dt. Mathematiker Absichten ist falsch. Wären sie durchführbar, so würde aus ihnen durchaus das von ihm Behauptete folgen. Aber sie sind eben undurchführbar, das weiß ich erst seit Sept. 1930.
Wie Sie sich auf Grund dieser Zeilen denken können, würde ich von mir aus kein ein🕮ziges Separatum meines Referats verschicken. Ich will aber eine gemeinsame Aktion nicht stören, und schließe mich daher Ihrem Vorschlag, sowie der von Ihnen vorgeschlagenen Liste, an.
Mit den besten Grüßen