\brief{Rudolf Carnap an Heinrich Scholz, 30. April 1931}{April 1931} %Wien, den 30. April 1931. \anrede{Lieber, verehrter Herr Professor!} \haupttext{Hier die Antworten auf Ihre Fragen: 1) Ich bin in der letzten Zeit eifrig mit Untersuchungen über die Grundlegung der Logik und Arithmetik beschäftigt, und so traf Ihre Frage über Existenzannahmen gerade in mein gegenwärtiges Interessengebiet. Ich bin nun erstens daraufgekommen, daß es besser ist, im Unterschied zu Russell\IN{\russell} und Hilbert\IN{\hilbert} keine freien Individualvariabeln in Sätzen zuzulassen, wobei allerdings die Operationsregeln geändert werden müssen. Zweitens habe ich gefunden, daß bei dieser Form sich die Existenzannahmen noch einfacher ausschließen lassen, als durch das Axiom, das ich Ihnen früher schrieb. Wir nehmen nämlich anstatt des Hilbertschen\IN{\hilbert} Axioms $(e)$ dasselbe mit Alloperator: $(y)[(x)(F(x)) \rightarrow F(y)]$ \blockade{hor. Abstand} (I) Durch Einsetzung ergibt sich hieraus unmittelbar: $(x)(F(x)) \rightarrow F(a)$ \blockade{hor. Abstand} (1') vorausgesetzt, daß wir einen Gegenstandsnamen ,,$a$`` besitzen. Durch Wendung und Einsetzung von $\sim F$ für $F$ folgt aus (1') (mit Hilfe von Def 6, 01): $F(a) \rightarrow (\exists x)(F(x))$ \blockade{hor. Abstand} (2') 2) Aus (1') und (2') folgt nun allerdings Hilberts Satz: $(x)(F(x) \rightarrow (\exists x (F(x))$ \blockade{hor. Abstand} (3') Entscheidend ist, daß (3') nicht abgeleitet werden kann, wenn kein Gegenstandsname zur Verfügung steht. Ist ein solcher aber vorhanden, so handelt es sich um einen nicht-leeren Bereich; und in einem solchen trifft der Satz (3') ja zu. 3) (und 5) Gruppentheorie, Topologie und Geometrie würde ich nicht auf dem Peanosystem aufbauen, sondern als eigene Axiomensysteme; und zwar entweder mit undefinierten Grundbegriffen, oder als Zweige der Logik, nämlich als Theorie der betreffenden Explizitbegriffe. 4) Für die Anzahl der Individuen gibt es drei Möglichkeiten: a) 0, b) endlich, c) unendlich. Die voraussetzungslose Logik, wie wir sie verlangen, läßt alle und nur diejenigen Sätze zu, die in allen drei Fällen zutreffen. Das Unendlichkeitsaxiom gilt nur im Falle c), Satz (3') gilt nur in den Fällen b) und c). Dagegen gelten gewisse Sätze über die Existenz gewisser höherstufiger Klassen, z.\,B. $\exists !0$\blockade{stimmt das so?} und $\exists !nc$, in allen drei Fällen, und sind daher zuzulassen. Sie besagen, im Unterschied zum Unendlichkeitsaxiom, nichts über die Existenz von Individuen. 6) Ja. Oder wir definieren $2=\textsubscript{Df} 1 + 1$; dann müssen wir die Äquivalenz von ,,2`` mit dem Definiens von Df 19,033 beweisen. 7) Definition des Produktes entweder anknüpfend an Princ. Math.\IW{\principiamathematica} \textsection{}\,113 \neueseite{} in vereinfachter Form so: \blockade{hsl. Formel} oder ohne Verwendung von Paarrelationen, unter Bezugnahme auf eine Klasse $\kappa$ von $\mu$ Klassen, \textkritik{derer jede v Elemente hat:}\fnA{Hsl.} \blockade{hsl. Formel} Ihren Brief sende ich auf Ihren Wunsch wieder mit zurück. Mit herzlichen Grüßen} \grussformel{Ihr\\ R.C.} \ebericht{Brief, msl. Dsl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/871248}{RC 102-72-13}; Briefkopf: gestempelt \original{Prof. Dr. Rudolf Carnap \,/\, Wien XII/5 \,/\, Stauffergasse 4}, msl. \original{Wien, den 30.\,April 1931}.}