\brief{Rudolf Carnap an Friedrich Sauer, 12. Dezember 1930}{Dezember 1930} %Wien, den 12. Dezember 1930. %Herrn Dr. Friedrich \textit{Sauer}, %\textit{\uline{Würzburg}} %Unterer Grasweg 6\,/\,I. \anrede{Sehr geehrter Herr Doktor!} \haupttext{Infolge einer Vortragsreise nach Warschau komme ich erst heute dazu, auf Ihren Brief vom 23.\,November zu antworten. Bei der Begründung des Satzes über die sphärenverwandten Gegenstände können wir 3 Punkte unterscheiden. 1) Wir stellen eine inhaltliche (wenn Sie wollen intuitive) Überlegung an: ein Begriff kann sich mit Sinn nur auf solche Gegenstände beziehen, die untereinander eine gewisse Gleichartigkeit haben. Wenn ein anderer Begriff sich auf einen dieser Gegenstände beziehen kann, so wird er sich auf alle und nur diejenigen Gegenstände mit Sinn beziehen können, auf die der erste sich beziehen kann. Wir sagen dann von den Zeichen dieser Gegenstände, daß sie zu dem ,,Typus`` der Argumente dieser Begriffe gehören. Weitere Überlegungen führen uns zu der Einsicht, daß die verschiedenen einander ausschließenden Typen ein gewisses System (Hierarchie der Typen) bilden. 2) Auf Grund dieser Einsichten stellen wir bestimmte konventionelle Regeln für unsere Symbolik auf. Wir erklären die Ersetzung eines Zeichens durch ein andres Zeichen stets dann und nur dann für zulässig, wenn die beiden Zeichen demselben Typus angehören. Das ist die Hauptregel der Typentheorie. Spezielle Regeln legen die Arten der verschiedenen Typen fest. 3) \uline{Nachdem} diese Regeln aufgestellt sind, ergibt sich dann leicht die abgeleitete Regel: Die Namen zweier sphärenverwandter Gegenstände (d.\,h. zwei typusgleiche Zeichen) sind für jede Funktion entweder beide zulässige oder beide unzulässige Argumente. Dies ist kein Satz des Systems (denn \uline{im} System gibt es die Worte ,,Argument``, ,,Funktion``, ,,zulässig``, nicht), sondern ein ,,metamathematischer`` oder ,,metalogischer`` oder ,,syntaktischer`` Satz \uline{über} das System. Zu Ihrer Frage des Kriteriums für ein zulässiges Argument. In einer korrekten Sprache muß für jede Konstante festgesetzt \neueseite{} sein, zu welchem Typus sie gehören soll. Ist diese Festsetzung für die (nichtlogischen) Grundzeichen getroffen, so ergibt sich der Typus jedes abgeleiteten Zeichens aus der Form seiner Definition. Ferner muß für jede Variable (Argumentstelle) einer jeden (nichtlogischen Grund-) Funktion der Typus (nicht mehr und nicht weniger als ein ganzer Typus) festgesetzt sein, dessen Konstanten die zulässigen Werte dieser Variabeln sein sollen. Ich hoffe, daß diese kurzen Andeutungen Ihnen helfen werden. Diese Dinge sind im Anfang schwierig. Ich glaube aber, daß sie bei weiterer Beschäftigung leicht zur völligen Klarheit über den Zusammenhang kommen werden. Mit ergebenem Gruß} \grussformel{Ihr\\ \blockade{ksl.}} \ebericht{Brief, msl. Dsl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/870635}{RC 029-25-02}; Briefkopf: gestempelt \original{Prof. Dr. Rudolf Carnap \,/\, Wien XIII/5 \,/\, Stauffergasse 4}, msl. \original{Wien, den 12.\,Dezember 1930}, msl. \original{Herrn \,/\, Dr. Friedrich Sauer \,/\, Würzburg \,/\, Unterer Grasweg 6/I}.}