Herzlichen Dank für Deinen Brief. Jetzt wirst Du schon in England sein. Hoffentlich hast Du inzwischen noch besseres Wetter gehabt und Dich gut erholt. Eben berichtet mir FeiglPFeigl, Herbert, 1902–1988, öst.-am. Philosoph, seit 1931 verh. mit Maria Feigl, daß er Nachricht von gutem Befinden von Dir bekommen habe. Auch uns ists sehr gut gegangen in Biberwier. Ich bin nachher noch eine Woche in Buchenbach gewesen, und habe unterwegs dann MauePGramm, Dorothea, 1896–1975, geb. Stadler, genannt Maue, verh. mit Josef Gramm besucht.
Wir waren sehr betrübt zu hören, welche Schwierigkeiten und Sorge Du durch die Neurath-Sache gehabt hast. Gut, daß aber die Sache jetzt zu friedlicher Beilegung gekommen ist. Gestern war ich mit FeiglPFeigl, Herbert, 1902–1988, öst.-am. Philosoph, seit 1931 verh. mit Maria Feigl bei N[eurath]PNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath. Wir haben i[h]m beruhigend zugeredet. Er war nämlich immer noch erregt und glaubte, daß nicht nur dem MSB, sondern ihm persönlich Ungerechtigkeit widerfahren sei. Und nun hatte er tatsächlich schon ein beinahe fertiges neues MSB! Er hat uns verschiedene Kapitel daraus vorgelesen. Und wir waren erstaunt zu sehen, daß er hier wirklich in ganz anderem Tone geschrieben hat, sachlich argumentierend, und ernsthaft in der Formulierung. Der Inhalt ist jetzt ein ziemlich anderer, mit gleichen Grundgedanken. Es sind hier keine ausführlichen erkenntnistheor[etischen] Erörterungen mehr, sondern Darstellung der Sache selbst, ausgehend von einer Übersicht über die geschichtliche Entwicklung, die die Prinzipien der Geschichte und der Nat[ional] Ök[onomie] durchgemacht haben. Das, was wir gehört haben (es war viell[eicht] ein Drittel, das Übrige gab er uns nur skizzierend an, es lag aber auch schon getippt vor) machte also nach Inhalt und Form im Ganzen einen durchaus positiven Eindruck. Stilistisch merkte man zwar an manchen Stellen doch noch etwas das Tempo des Niederschreibens (das wohl weniger aus Eile zu erklären ist als aus seinem lebhaften und ungeduldigen Temperament); aber das wollte er noch ausfeilen, bevor er es FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank zur ersten Begutachtung vorlegen wird. Als ich von der schnellen Herstellung des neuen MSB hörte, hatte ich natürlich starke Bedenken. Es scheint mir aber doch, daß jetzt Aussicht besteht, daß die ganze Sache zu einem konfliktfreien Ende führt.
Ich bin für den 2. Sept. zur Besprechung nach Prag gebeten. Dann fahre ich von dort nach Königsberg.
Meine Ernennung hier ist noch nicht erfolgt. Prof. MeisterPMeister, Richard, 1881-1964, öst. Pädagoge, den ich fragte, sagte mir, er sei vor 2 Wochen auf dem MInI?. gewesen, um die Sache zu urgieren, weil er den neuen Titel in das Vorles[ungs] Verz. habe setzen wollen. Er ist nun vorgestern nochmal hingegangen und sagte mir dann, es würde doch noch 3-4 Wochen dauern. Zu seinem Erstaunen habe er sogar erfahren, daß Bedenken vorgelegen hätten, weil in der Regel die Ernennung erst nach 6 Jahren erfolge. Er habe aber darauf hingewiesen, daß man das doch individuell behandeln müsse, mit Hinweis auf die wiss[enschaftlichen] Leistungen. Er meint, daß die Bewilligung nun doch gesichert sei.
Ich werde mit FeiglPFeigl, Herbert, 1902–1988, öst.-am. Philosoph, seit 1931 verh. mit Maria Feigl noch in Kön[igsberg]ITagung für Erkenntnislehre@2. Tagung für Erkenntnislehre der exakten Wissenschaften, Königsberg, 5.-7.IX.1930 und Berlin bis etwa 14. zusammen sein. Dann fährt er nach Paris-Amerika, ich nach Wien. Ich hoffe sehr, Dich dann doch noch hier zu treffen.
Mit herzlichen Grüßen