\brief{Hans Reichenbach an Rudolf Carnap, 29. April 1930}{April 1930} %29.April 30 %Herrn Dr. Rudolf Carnap %Wien, XIII/5 %Stauffergasse 4 \anrede{Lieber Carnap,} \haupttext{besten Dank für Ihren Brief von 26.\,d. Mit Ihren Zusatzvorschlägen zur Geschäftsordnung bin ich einverstanden. Bitte stellen Sie mir doch die von Ihnen vorgeschlagenen Gutachter aus den Wiener Kreisen zusammen. Von mir aus möchte ich vorschlagen: Dubislav\IN{\dubislav}, Grelling\IN{\grelling}, Herzberg\IN{\herzberg}, Lewin\IN{\rjlewin}, London\IN{\london}. Auch kann man wohl eventuell bei besonderen Themen von Fall zu Fall mal jemand aussuchen; z.\,B. für Biologie, wo ich niemanden recht weiß. Die Quantenattacke\IW{} von Neurath\IN{\neurath} halte ich für sehr gefährlich. Man soll nicht über etwas urteilen, was man noch nicht durchschaut. Eine Revision des Kausalbegriffs muß selbstverständlich weittragende Konsequenzen haben und z.\,B. auch die Frage der Willensfreiheit beeinflussen. Warum soll das gleich Metaphysik sein? Die Äußerungen der Physiker sind zwar durchweg ziemlich naiv; aber wenn man etwas dagegen sagen will, dann muß man das in einer längeren Darstellung tun und dabei selbst eine klare Deutung der Quantenmechanik vorbringen können. Wir sollen doch nicht alle die Fehler machen, mit denen sich die Philosophen des Apriori bei den Fachleuten unbeliebt gemacht haben. Ich bin deshalb unbedingt für die Streichung der Attacke. \neueseite{} Zu Ihrem Brief an Meiner\IN{\meinerfelix}: als Untertitel soll ja der bisherige Titel weiter geführt werden, aus geschäftlichen Gründen. Zwei Untertitel aber, das wäre doch zuviel. Sodann das Stoffgebiet: Da es sich ja nur um eine Bezeichnung in einem Geschäftsvertrag handelt, darf man schon mit ruhigem Gewissen eine traditionelle Bezeichnung nehmen. Über die Manuskripte entscheiden ja doch allein die Herausgeber und nicht der Verlag und wir können die Ablehnung eines schulphilosophischen Manuskripts dem Verleger gegenüber immer dadurch rechtfertigen, daß wir die Arbeit für sachlich ungenügend halten. Ich möchte überhaupt anregen, daß wir uns jetzt keine juristischen Kopfzerbrechen mehr machen und das Weitere getrost der Praxis überlassen. Ich habe jetzt an eine Reihe von Leuten geschrieben und um Beiträge gebeten; Schrödinger\IN{\schroedinger}, Heisenberg\IN{\heisenberg}, Einstein\IN{\einstein}, Rademacher\IN{}, Planck\IN{\planckm}, Russell\IN{\russell}, Hook\IN{\hook}, Meyerson\IN{\meyerson}, Zilsel\IN{\zilsel}, Schaxel\IN{}, Lewin\IN{\rjlewin}, Aster\IN{\aster}, Study\IN{}, London\IN{\london}. Mir fehlen immer noch Arbeiten für das erste Heft. Herzliche Grüße} \grussformel{Ihr\\{}[Hans Reichenbach]} \ebericht{Brief, msl. Dsl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/848632}{HR 013-41-67}; Briefkopf: msl. \original{29.\,April\,[19]30 \,/\, Herrn \,/\, Dr. Rudolf Carnap \,/\, Wien, XIII/5 \,/\,Stauffergasse 4}.}