Ich habe Ihren Brief vom 7. ds sowie das Ms.B erhalten und danke Ihnen von ganzem Herzen für die große Mühe, die Sie sich mit meiner Arbeit gegeben haben. Mir sind Ihre Verbesserungsvorschläge sehr wichtig und soweit ich es bis jetzt beurteilen kann, werde ich Ihnen durchwegs Rechnung tragen. (Ich war bis jetzt derart mit Büroarbeit überhäuft, daß ich an eine endgültige Prüfung noch nicht gehen konnte.) Besonders wertvoll erscheint mir Ihre abändernde Formulierung bei der Definition der natürlichen Zahlen, die das was ich sagen will in weit besserer Form wiedergibt, als es durch mich geschehen ist. Es ist nur selbstverständlich, daß ich überall dort, wo ich von Ihrer weit größeren logistischen und axiomatischen Formulierungskunst zum Besten meiner Arbeit wesentlichen Gebrauch mache, dies auch ausdrücklich vermerke. Ich weiß sehr wohl, daß Sie hierauf nicht den geringsten Wert legen; aber ich kann doch nicht irgendetwas Wesentliches, was nicht meinem 🕮 Kopf entsprungen ist, als eigene Leistung deklarieren. Dies gilt insbesondere auch für die mir liebenswürdig angebotene tabellarische Beilage zu Abschnitt 2, die ich aber noch genauer prüfen muß.
Über viele einige Punkte, die Sie in Ihren Anmerkungen nicht berührt haben, insbesondere die Ausschaltung des Zeitbegriffes im 3. Abschnitt bei der Analyse des Zahlbegriffs, die Ausschaltung des Mengenbegriffes, meine Auffassung der geometrischen Grundbegriffe und des Verhältnisses von Arithmetik und Geometrie(en) sowie die Analyse Auflösung der Symbolik der Irrationalzahlen im 4. Abschnitt endlich meine Argumentation betreffend die Unmöglichkeit durch Fortschreiten in der Reihe der Ordinalzahlen über das Abzählbare hinauszugehen im 5. Abschnitt. Darf ich wohl nach Ihrer Rückkehr nach Wien Ihnen sprechen. Gerade dieser letzte Punkt ist natürlich besonders wichtig für die Problematik des Überabzählbaren, aber obwohl ich in der Sache selbst keinerlei Zweifel hege, werde ich eine gewisse Unruhe nicht los, daß in meinem Beweis etwas nicht in Ordnung sein könnte.
Was die Entscheidbarkeit betrifft, fühle ich mich sicherer, 🕮 aber vielleicht kann ich auch hier meine Formulierung noch verbessern.
Ihr Brief hat mich aus zwei Gründen wirklich glücklich gemacht. Einmal darum, weil mir Ihre Zustimmung bekräftigt, daß ich gewisser Probleme, die mich seit Jahren intensiv beschäftigen, Herr geworden bin und auch die technischen Schwierigkeiten der Darstellung, die für mich manchmal besonders groß waren, in der Hauptsache überwunden habe; dann aber auch darum, weil mir Ihre ganze Art der Einstellung gegenüber formaler geistiger Arbeit so überaus erfreulich ist.
In Dorf Tirol b. Meran bin ich mit M[oritz] GeigerPGeiger, Moritz, 1880-1937, dt.-am. Philosoph zusammengekommen, der ebenfalls in allen wesentlichen Punkten mit mir übereinstimmt u. die baldige Publikation meiner ArbeitB für wünschenswert hält. Auch BaerPBaer, Reinhold, 1902–1979, dt.-am Mathematiker, verh. mit Marianne Baer habe ich in Meran getroffen und mit ihm einschlägige Probleme besprochen; er läßt Sie sehr schön grüßen. GeigerPGeiger, Moritz, 1880-1937, dt.-am. Philosoph hat einen Ihrer kleineren Aufsätze mit Freude gelesen und will bald den „Logischen Aufbau“B1928@Der logische Aufbau der Welt, Berlin-Schlachtensee, 1928 studieren; er möchte Sie auch sehr gerne persönlich kennenlernen.
Von SauerPSauer, Karl, 1827-1896, dt. Lehrer und Philologe habe ich leider noch immer keine Verständigung wegen der Besprechung Ihres BuchesB1928@Der logische Aufbau der Welt, Berlin-Schlachtensee, 1928. Wenn er sich nicht bald entschließt, könnte ich vielleicht die Besprechung, in die ich natürlich auch Ihre „Logistik“B1929@Abriß der Logistik. Mit besonderer Berücksichtigung der Relationstheorie und ihrer Anwendungen, Wien, 1929 gerne einbeziehen will, für eine andere Zeitschrift übernehmen. Unter keinen Umständen aber dürfen Sie mir aus Ihrem eigen schmalen Bestande an Freiexemplaren ein solches schicken. 🕮
Was nun die Frage der Publikation meiner Arbeit betrifft, so habe ich Ihrer Anregung folgend gestern mit Herrn BenaryPBenary, Wilhelm, 1888-1955, dt. Psychologe und Verleger gesprochen, den ich noch knapp vor seiner Abreise nach Berlin erreichen konnte. Ich möchte die Arbeit gerne in seinem Verlag erscheinen lassen und habe ihm, da ich die Absatzschwierigkeiten für Bücher dieser Art kenne, einen Druckkostenbeitrag von ca 500 Mark und eine Garantie in ungefähr der gleichen Höhe im Falle mangelnden Absatzes in Aussicht gestellt. Er hat sich ein Exemplar des Ms.B mitgenommen und will in Berlin die Sache kaufmännisch durchrechnen. Wahrscheinlich wird er sich auch noch mit Ihnen in Verbindung setzen; wenn Sie so lieb wären ihm ein paar Zeilen über die Arbeit zu schreiben, wäre es mir sehr recht. Da ich nicht gleichzeitig auf zwei Hochzeiten tanzen will, so kann ich mit Prof. SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick wegen Aufnahme in seine Slg.I Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung, Buchreihe nur dann sprechen, wenn ich mit BenaryPBenary, Wilhelm, 1888-1955, dt. Psychologe und Verleger zu keiner Einigung komme, in diesem Falle werde ich Sie wohl ebenfalls um Ihre Intervention bitten. B[enary]’sPBenary, Wilhelm, 1888-1955, dt. Psychologe und Verleger Antwort erwarte ich in ca 14 Tagen, also ungefähr zu der Zeit, wo Sie nach Wien zurückkommen. Die acht Tage Meran waren sehr schön und trotz der verschiedenen Diskussionen eine gute Erholung. Meine FrauPKaufmann, Else, verh. mit Felix Kaufmann ist erst heute von M[eran] fortgefahren.
Ich wünsche sehr, daß Sie eine schöne Zeit in Davos gehabt haben und weiterhin haben werden und freue mich darauf Sie in wenigen Wochen in Wien zu sehen. Seien Sie herzlich gegrüßt von