\brief{Rudolf Carnap an Moritz Schlick, 6. April 1929}{April 1929} %Davos-Dorf, den 6. April 1929. \anrede{Lieber Schlick,} \haupttext{nun sind die Kurse\II{\davoserhochschulkurs} vorbei. Es war wirklich interessant, verschiedene Leute kennenzulernen. Aber es war eine gewaltige metaphysische Wolke das Ganze. In kleineren Zirkeln und dann besonders in Einzelgesprächen habe ich doch versucht, Opposition zu machen, und mir scheint, daß der eine oder andre doch einen Anstoß zur Besinnung bekommen hat. Ich werde Dir später Genaueres erzählen. Cassirer\IN{\cassirerernst} sagte mir, Du habest einen Ruf nach Bonn\II{\universitaetbonn} bekommen. Und dann kam Rothacker zu mir und erkundigte sich (er ist seit einem Semester in Bonn), ob Du hingehen würdest, worüber ich natürlich keine Auskunft geben konnte. Beide lassen Dich grüßen. Rothacker\IN{\rothacker} (und verschiedenen andern) gab ich Dein Vorwort\IW{} zu lesen. Cassirer\IN{\cassirerernst} kannte es schon. Nach Rothackers\IN{\rothacker} Angabe ist die Univ[ersität] Bonn\II{\universitaetbonn} größer als ich dachte, er meinte: 7000 Studenten (was mir beinahe unwahrscheinlich klingt). Trotzdem vermute ich, daß Du nicht hingehen wirst. Das wäre ja wirklich arg für die Univ[ersität] Wien\II{\universitaetwien}, und für uns einzelne persönlich. Schreib mal eben eine Zeile, wie Du Dich entschlossen hast. Rothacker\IN{\rothacker} sagte mir übrigens, man denke in Bonn, daß Deine Frau\IN{\schlickfrau} vielleicht nicht gern von Wien weggehen würde. Wie genau die Leute den privaten Wünschen nachspüren! Ich habe versucht, bei Riezler\IN{\riezler} und Cassirer\IN{\cassirerernst} Anregung zu geben, daß mal Hochschulkurse\II{\davoserhochschulkurs} hier über die philos[ophischen] Probl[eme] der Naturwiss[enschaft]\blockade{oder Plural?} u[nd] Math[ematik] abgehalten werden sollten; mit Russell\IN{\russell} (oder Ramsey\IN{\ramsey}), Hilbert\IN{\hilbert} (od. Bernays\IN{\bernays}, Ackermann\IN{\ackermann}), Brouwer\IN{\brouwer} (od. Weyl\IN{\weyl}), Dir, Reichenbach\IN{\reichenbach}, mir, Driesch\IN{\driesch}, einem Antivitalisten usw. Die Anregung wurde zwar, besonders von Cass[irer]\IN{\cassirerernst}, sehr positiv aufgenommen; es scheint mir aber doch noch sehr fraglich, ob es verwirklicht wird. Das wäre aber doch sehr schön. Es geht mir sehr gut. Ich hab mich nochmal von meinem alten Arzt untersuchen lassen, er war sehr befriedigt von dem Befund. Hast Du nun ohne Italien Deine so nötige Erholung gefunden? Eben ist die ,,Logistik``\IC{\logistik} fertig geworden. Ich nehme an, daß Du als Herausgeber automatisch ein Ex[emplar] bekommen hast; drum hab ich Dir keins schicken lassen. Andernfalls schreibe mir. Ich bin vielleicht vom 23. ab in München, komme 27. nach Wien. Meine Vorlesung beginnt am Mo., 29. Falls Plattners\IN{\lila} \IN{\plattner} in Wien sind, grüße bitte. Es tut mir leid, daß ich ihren Besuch in Wien versäume. Schreib mal, wie es Dir geht, und was Ihr unternehmt. Karte genügt, ich weiß ja, daß Deine Zeit sehr knapp bemessen ist. Mit herzlichen Grüßen} \grussformel{\blockade{ksl.}} \ebericht{Brief, msl. Dsl., 1 Seite, \href{https://doi.org/10.48666/870933}{RC 029-30-20}; Briefkopf: msl. \original{Davos-Dorf, den 6.\,April 1929}.}