\brief{Rudolf Carnap an Moritz Schlick, 18. April 1928}{April 1928} %Seefeld, den 18. Apr. 1928 \anrede{Lieber Schlick,} \haupttext{herzlichen Dank für Deinen Gruß von der Rax und den Brief aus Ragusa. Dieser kam, über Davos, erst am 9. hier an, sodaß ich Dir nicht mehr dorthin schreiben konnte. Sicher hattest Du meinen Brief vom Febr., in dem ich Dir meine Seefelder Adresse schrieb, nicht mehr zur Hand. Die dalmatinische Landschaft muß ja wunderbar sein. Hoffentlich hast Du Dich trotz dem vielen Regen doch gut dort erholen können. Sehr schade, daß Du nicht viel Sonne gefunden hast dort; ich kenne ja Deinen Sonnenhunger, besonders nach dem Winter. Hier in Seefeld war es auch oft trüb; aber wir haben auch schöne Sonnentage gehabt. Durch Davos war ich allerdings verwöhnt. In den letzten Tagen fällt hier immerzu nasser Frühlingsschnee, der nicht liegen bleibt. Am 26. fahre ich nach Wien, ich freue mich sehr, Dich und die Andern wieder zu sehn; von Feigl\IN{\feigl} hörte ich mehrmals, Waismann\IN{\waismann} läßt seit langem nichts von sich hören; F[eigl]\IN{\feigl} schrieb, daß es W[aismann]\IN{\waismann} nicht gut ginge. In Davos, und dann auch noch hier, habe ich mich sehr gut erholt. Ich darf annehmen, daß ich die Sache vollständig überwunden habe. Ich bekomme nur noch leicht ,,Bewegungstemperatur``, z.\,B. nach etwas längeren Spaziergängen. Da sie aber schnell wieder auf normalen Stand herabsinkt (in 1 Stunde), so legt der Arzt ihr keine schlimme Bedeutung bei. Das könne noch längere Zeit so bleiben. Ich muß mich nur für einige Zeit noch vor besonderen Anstrengungen hüten. Fraenkel\IN{\fraenkelabraham}, der in Garmisch war, hat mich zweimal hier besucht. Ich freue mich sehr, ihn kennengelernt zu haben. Er bekam gerade den Ruf nach Kiel. Er erzählte, daß Scholz daraufhin vielleicht Münster ablehnen werde, weil Sch[olz]\IN{\scholzheinrich} jetzt sehr einsam sei und sich mit Fr[aenkel]\IN{\fraenkelabraham} und dessen Frau befreundet habe und darum ungern von Kiel weggehe. Fr[aenkel]\IN{\fraenkelabraham} meinte aber, es sei besser für Sch[olz]\IN{\scholzheinrich}, den Ruf anzunehmen, sowohl seiner Laufbahn wegen, als auch um von dem Ort der niederdrückenden Erinnerungen fort zu kommen. Er wollte in diesem Sinne, falls es möglich wäre, mit Sch[olz]\IN{\scholzheinrich} sprechen. Sch[olz]\IN{\scholzheinrich} schrieb mir (gelegentlich einiger Fragen über log[ische] Probleme), daß er noch unentschlossen sei. Auch Wolfgang Köhler\IN{\koehlerwolfgang}, der von Benary\IN{\benary} meine Adr. erfahren hatte, hat mich einmal überraschend hier besucht; ich erwarte jetzt noch Nachricht von ihm, er wollte nochmal herkommen, oder ich sollte ihn in Innsbruck treffen. Ich erzähle Dir dann davon. Zu der Einladung nach Kalifornien meinen herzlichen Glückwunsch. Über Deine Bedenken mußt Du mir mal mündlich Näheres sagen. Sobald ich in Wien bin, rufe ich Dich mal an. Mit herzlichem Gruß} \grussformel{Dein\\ R.C.} \ebericht{Brief, msl. Dsl., 1 Seite, \href{https://doi.org/10.48666/870972}{RC 029-30-30}, Briefkopf: msl. \original{Seefeld, den 18.\,Apr. 1928}.}