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Lieber Herr Kaufmann!
Haben Sie besten Dank für Ihren Brief v. 1. XII. und für die Übersendung der Abhandlung über das Transfinite mit der Beilage über die Entscheidbarkeit
Selbstverständlich bin ich damit einverstanden, daß Sie das Buch
Gesundheitlich geht es mir befriedigend, sodaß ich im S.S. bestimmt wieder in Wien zu lesen gedenke.
Nun zu Ihren Arbeiten
Über das Transfinite
Einige Einzelbemerkungen:
S. 3‚ Behauptung 2) „Zur Def. d[er]s[elben] Zahlbegr[iffe] bedarf es nicht des Begr[iffes] der Menge“. Das scheint mir durch Ihre Darlegungen nicht erwiesen. Im Gegenteil: Sie nehmen den Ausdruck „die vorliegenden“ (Elemente oder Dinge) als sinnvoll an; das aber besagt doch: für jedes Element soll als feststehend geltend, ob es eins der „vorliegenden“ ist oder nicht. Das aber ist ja der Begriff der Menge (Klasse). S. 3 unten: eine „Art“ \(A\) scheint mir nichts anderes artigenbedeutenden Ausdruck. Mir ist nicht ganz klar geworden, welche Konsequenzen die Ausschaltung des Mengenbegriffs für Ihre Theorie hat. M. a. W.: was ist damit gewonnen, wenn man die Wörter „Menge“ (oder „Klasse“) vermeidet? Nur die Wörter sind vermeidbar, die Klassen selbst nicht; denn nach der „Extensionalitäts“-Auffassung (die ich in der Konst[itutions] Th[eorie] näher begründet, aber freilich noch nicht bewiesen habe, und zu der auch Russell
S. 4 oben. Die Behauptungen: 1) daß die arithm[emtische] Sätze analyt[isch] aus der Def. des Zählenprozesses folgen, 2) daß diese Def. den Zeitbegriff enthalte, haben erst einen deutlichen Sinn, wenn Sie Ihre Axiome und Ihre Grundbegriffe genau angeben. (Das scheint mir überhaupt das wichtigste Erfordernis für die Abhandlung). (der 1. Behauptung möchte ich beipflichten, die 2. einstweilen bezweifeln). Nehmen Sie etwa die Peanoschen
S. 6. Ihre finite Interpretation einiger Äquivalenzsätze scheint mir richtig und interessant. Ich glaube übrigens, daß man sagen kann, daß die entsprechenden Sätze in den Princ[ipia] Math[ematica]
S. 7. Ihre Deutung der Wohlordnung mit Hilfe des Begriffs der „unbestimmten Anzahl“ scheint mir ganz besonders bemerkenswert. Vielleicht ist dies wirklich der Weg, auf dem das Unendliche ausgeschaltet werden kann. Es wäre zu erwägen, ob sich der Begr[iff] „unbest[immte] Anz[ahl]“ als „Variable“ fassen läßt, da dieser Begriff ja ohnehin in der Logik erforderlich ist; eine bestimmte Ordnungszahl wäre dann als Funktion zu deuten.
S. 8. Ihre Verknüpfung der natürl[ichen] Zahlen mit der Zeit, der Brüche mit dem Raum erscheint mir noch problematisch.
S.10. Ihre Def. des (rationalen) Grenzwertes einer rationalen Folge ist zutreffend.
S. 10. Ihre Def. der Irrat[ional]zahl, vielmehr: der Aussagen über Irr[ational]Z[ahlen] durch Aussagen über Approx.
Die Beilage über Entscheidbarkeit.
S. 2. Mitte. Ihre Erledigung des Prinz[ips] der vollst[ändigen] Induktion scheint mir in dieser Form nicht einwandfrei. Ihr Ausdruck: „nennt man nun diese Zahlen 1, 1f, 1ff‚…“ ist unstatthaft. Wenn man die Zahlen so bezeichnen kann, dann allerdings ist jede Zahl durch den Zählprozeß erreichbar. Aber das kann man eben nicht aus den genannten Axiomen beweisen, sondern dazu braucht man noch das Ind[uktions]Prinz[ip]. Denn die genannten 3 Axiome können auch durch eine überabzählbare Zahlmenge erfüllt werden. Und wenn Sie sich auf den Standpunkt stellen, daß Überabzählbares keinen Sinn hat, so hilft auch das nichts: es gibt abzählbare Zahlmengen, die die 3 Axiome erfüllen, aber nicht das Ind[uktions]Prinz[ip], sodaß nicht jede Zahl in endlich vielen Schritten von der ersten aus erreichbar ist. Beispiel: die Zahlen 1⁄\(2^n\) (wo \(n\) die Werte der nat[ürlichen] Zahlen annimmt), der Größe nach geordnet, also:
\(-1/2, -1/4, -1/8, … 1/8, 1/4 , 1/2 \). Die Axiome sind erfüllt: zu jeder dieser „Zahlen“ kann man einen und nur einen Vorgänger namhaft machen, und es gibt eine erste. Dies Beispiel zeigt, daß doch noch die beiden Axiome erforderlich sind: es gibt keine letzte Zahl; und: jede Zahl ist von der ersten aus erreichbar.
S. 2. letzter Satz stimmt zwar, wenn Sie „bestimmte Eigensch[aften]“ definieren wie Abh. S. 12 Mitte (die Formulierung dort ist übrigens nicht ganz klar; ich vermute, daß gemeint ist: „…, in deren Def. keine scheinbare Variable vorkommt“); es fehlt aber der Beweis für den Fall andrer Eigenschaften, und das ist gerade der wichtigere Fall (z. B. im Fermatschen
S. 3. Ihre „rationale Übersetzung“ des Satzes vom Grenzwert und der Beweis dazu scheinen mir sehr gut und bemerkenswert.
Daß ich mit dem Grundgedanken auch der Beilage übereinstimme: daß nämlich die arithmet[ischen] Fragen entscheidbar seien, wissen Sie ja. Meine kritischen Bemerkungen sollen also nur dazu dienen, zu helfen, Ihre interessanten Gedankengänge in einwandfreie Fassung zu bringen. An manchen Stellen wird das, glaube ich, leicht möglich sein; an andern Stellen dagegen bin ich nicht sicher, ob die Durchführung in der von Ihnen beabsichtigten Weise möglich ist.
Ich schicke Ihnen hiermit die Abhandlungen mit bestem Dank für die empfangenen Anregungen zurück, und verbleibe mit herzlichen Grüßen auch an Ihre Frau Gemahlin
Ihr
R.C.
Brief, msl. Dsl., 3 Seiten, RC 028-25-13: Briefkopf: msl. Davos-Dorf, den 3. Febr. 1987  /  Pension Waldheim.