\brief{Felix Kaufmann an Rudolf Carnap, 8. September 1927}{September 1927} %8/IX 27 \anrede{Lieber Herr Carnap!} \haupttext{Die mir freundlichst überlassenen beiden \uline{Arbeiten}\IC{} \IC{} habe ich mit großem Interesse gelesen und werde sie morgen an die angegebene Adresse weitersenden. Aufs intensivste mit der Ausarbeitung meines Buches über ,,Gegenstand u. Verfahren der Sozialwissenschaften``\IW{} befaßt, kann ich nicht so eingehend Stellung nehmen, als ich es wünschte und muß mich auf einige kurze Bemerkungen beschränken. Ad: \uline{,,Sinn der erkenntnistheoretischen Analyse des Gegebenen``} Der eingeschlagene Weg erscheint mir sehr richtig, doch ist zu bedenken, daß das \uline{Fremdpsychische als eigene Gegenstandsklasse} nicht bezeichnet werden kann. Es ist so etwas, wie das ,,Eigenpsychische`` und wir schließen, nach äußeren Analogien, daß es so etwas auch anderweitig gibt. Die Gattung aber ist ,,Psychisches`` schlechthin und ihre Eigenart besteht darin, daß sie stets nur von einem Menschen in derselben Ind\blockade{?}ation erfaßt werden kann (Jeder Mensch hat sein eigenes Psychisches.) Auch in den geistigen Gegenständen sehe ich keine selbständige Klasse. Sie sind nur verkürzte Ausdrücke für intersubjektiv gleichartige ,,psychische Inhalte``, welch letztere wieder aus der Klasse des Psychischen und des Physischen abzuleiten sind. Hingegen sehe ich in den Klassen ,,Psychisches`` und ,,Psycho-physisches`` die untersten Grundklassen, wie ich hier nicht näher begründen kann. Ich möchte nur bemerken, daß mir das Psychische aus dem Eigenpsychischen nicht konstituierbar zu sein scheint. (Darüber werden wir noch zu sprechen haben) Das Prinzip der Verträglichkeit, das Sie in Ihrem Hauptwerke als Einteilungsgrund verwenden, scheint mir hiezu aus ebenfalls noch zu erörternden Gründen nicht tauglich zu sein. Ad: \uline{Haben die Thesen u.s.w.} Die Frage ,,ist A real`` bedeutet m.\,E. Wird A ,,im Denken`` als vom \sout{Denkenden }Denken unabhängig Seiendes gedacht? Diese Frage aber läßt sich phänomenologisch beantworten u. zw. bejahen. Demgegenüber steht die zweite These, daß kein undenkbares (prinzipiell unerfahrbares) Seiendes denkbar ist. \neueseite{} Hoffentlich können Sie diesen reichlich aphoristischen Bemerkungen einigen Sinn entnehmen.} \grussformel{Viele Grüße!\\ Felix Kaufmann} \ebericht{Brief, hsl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/870209}{RC 028-25-16}; Briefkopf: hsl. \original{8/IX\,27}.}