\brief{Moritz Schlick an Rudolf Carnap, 4. September 1927}{September 1927} %TRANSKRIPTION FEHLT !!!??? %Transkribiert Josef Pircher \anrede{Lieber Carnap,} \haupttext{morgen reisen wir von hier ab; ich habe schon gepackt und noch ein bißchen freie Zeit, die ich nützlich zum Briefeschreiben verwende. Für dein letztes Schreiben dankte ich dir bisher nur durch eine (auch von Feigl\IN{\feigl} unterschriebene) Karte. Ich blicke dankbar auf diese Wochen zurück, nur die letzte Zeit war wegen zu zahlreichen Besuches etwas unruhig. U.\,a. war Herr Links\IN{\lingsmajor} mit seiner Frau\IN{\lingsmajorfrau} längere Zeit hier. Meine Familie\IN{\schlickfrau} \IN{\schlickalbert} \IN{\schlickbarbara} kehrt jetzt nach Wien zurück, ich gehe plangemäß noch auf einige Wochen nach dem Süden. Vorläufig habe ich mich für Riccione (bei Rimini) entschlossen. Nachrichten (die natürlich von Dir sehr willkommen sind) erreichen mich dort ,,ferma in posta``.\\ Von Maja\IN{\maja} und Moro\IN{\moro} hatte ich etwas aufregende Briefe. Er hat sich und Maja\IN{\maja} schrecklich gequält \neueseite{} mit dem Verdacht, daß sie ihm über unsere Beziehung nicht die Wahrheit gesagt habe. Er ist darin, wie er mir schrieb, höchst bestärkt worden durch alte Briefe, in die er sich Einsicht erzwang, und durch Briefe von Dir und Mau\IN{\maue}, in denen Ihr ihn \unsicher{batet}, Maja\IN{\maja} zu verzeihen. Er erbat nun von mir unverzüglich Aufklärung. Zugleich erhielt ich aber einen langen herzzerreisenden Brief von Maja\IN{\maja}, in dem sie mich beschwört, Moro\IN{\moro} über die relative Harmlosigkeit unserer Beziehungen zu beruhigen, es könne sonst das größte Unglück daraus entstehen. Dies habe ich natürlich getan, und hätte es nach meinen Begriffen westeuropäischer Ritterlichkeit ja unter allen Umständen tun müssen, um nicht die Aussage einer Dame Lügen zu strafen. Ich finde es nicht ganz recht, daß Moro\IN{\moro} sich überhaupt an mich gewandt hat. Du hast ihm hoffentlich \neueseite{} auch nichts zur Bekräftigung seines Verdachtes mitgeteilt. Das sind doch sonderbare Menschen, die ich nie ganz verstehen werde -- einerseits so frei, und dann doch in irgendeinem Punkte so hartnäckig gebunden. Ich hoffe herzlich, daß unsere Freunde\IN{\maja} \IN{\moro} doch endlich in Palestina \blockade{Rechtschr.} ihren Seelenfrieden erlangen.\\ Ich habe hier natürlich wieder nicht so viel gearbeitet, wie ich eigentlich vorhatte, bin aber im ganzen mit den Ferien bisher doch äußerst zufrieden. Meiner Frau\IN{\schlickfrau} geht es gut, und beide Kinder\IN{\schlickalbert} \IN{\schlickbarbara} haben sich vortrefflich erholt. Ich werde Dir in Wien einige nette Aufnahmen zeigen, die unser Leben hier illustrieren. Von Frau Mau\IN{\maue} erhielt ich einen reizenden Brief. Ich bin sehr neugierig, wie es mit Deinem Buche\IC{} geworden ist. Wenn ich bei einem neuen Verleger etwa durch eine Empfehlung \neueseite{} noch ein bißchen helfen kann, so laß' es mich bitte wissen!\\ Ich hoffe, daß du froh und munter bist und daß wir uns in Wien in bester Gesundheit wiedersehen. Leb wohl und sei herzlich gegrüßt} \grussformel{von Deinem\\ M. Schlick} \briefanhang{Also: Riccione (presso Rimini)\\ ferma in posta.} \ebericht{Brief, hsl., 4 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/871037}{RC 029-31-10}; Briefkopf: hsl. \original{Millstatt, 4.\,9.\,27}.}