Moritz Schlick an Rudolf Carnap, 4. September 1927 September 1927

Lieber Carnap‚

morgen reisen wir von hier ab; ich habe schon gepackt und noch ein bißchen freie Zeit, die ich nützlich zum Briefeschreiben verwende. Für dein letztes Schreiben dankte ich dir bisher nur durch eine (auch von FeiglPFeigl, Herbert, 1902–1988, öst.-am. Philosoph, seit 1931 verh. mit Maria Feigl unterschriebene) Karte. Ich blicke dankbar auf diese Wochen zurück, nur die letzte Zeit war wegen zu zahlreichen Besuches etwas unruhig. U. a. war Herr LinksPLinks, Rudolf, 1883-1938, öst. Offizier und Mediziner, stud. bei Moritz Schlick mit seiner FrauPLinks, Frau von Rudolf Links längere Zeit hier. Meine FamiliePSchlick, Blanche Guy, 1881–1964, geb. Hardy, verh. mit Moritz SchlickPSchlick, Albert, 1909–1999, Elektroingenieur, Sohn von Moritz SchlickPSchlick, Barbara, 1914–1988, verh. van de Velde, Tochter von Moritz Schlick kehrt jetzt nach Wien zurück, ich gehe plangemäß noch auf einige Wochen nach dem Süden. Vorläufig habe ich mich für Riccione (bei Rimini) entschlossen. Nachrichten (die natürlich von Dir sehr willkommen sind) erreichen mich dort „ferma in posta“.
Von MajaPRosenberg, Maja, 1904–1969, russ.-israel. Pädagogin, Schülerin von Moritz Schlick, verh. mit Moro Bernstein und MoroPBernstein, Moro, Lehrer, verh. mit Maja Rosenberg hatte ich etwas aufregende Briefe. Er hat sich und MajaPRosenberg, Maja, 1904–1969, russ.-israel. Pädagogin, Schülerin von Moritz Schlick, verh. mit Moro Bernstein schrecklich gequält 🕮 mit dem Verdacht, daß sie ihm über unsere Beziehung nicht die Wahrheit gesagt habe. Er ist darin, wie er mir schrieb, höchst bestärkt worden durch alte Briefe, in die er sich Einsicht erzwang, und durch Briefe von Dir und MauPGramm, Dorothea, 1896–1975, geb. Stadler, genannt Maue, verh. mit Josef Gramm, in denen Ihr ihn batet, MajaPRosenberg, Maja, 1904–1969, russ.-israel. Pädagogin, Schülerin von Moritz Schlick, verh. mit Moro Bernstein zu verzeihen. Er erbat nun von mir unverzüglich Aufklärung. Zugleich erhielt ich aber einen langen herzzerreisenden Brief von MajaPRosenberg, Maja, 1904–1969, russ.-israel. Pädagogin, Schülerin von Moritz Schlick, verh. mit Moro Bernstein, in dem sie mich beschwört, MoroPBernstein, Moro, Lehrer, verh. mit Maja Rosenberg über die relative Harmlosigkeit unserer Beziehungen zu beruhigen, es könne sonst das größte Unglück daraus entstehen. Dies habe ich natürlich getan, und hätte es nach meinen Begriffen westeuropäischer Ritterlichkeit ja unter allen Umständen tun müssen, um nicht die Aussage einer Dame Lügen zu strafen. Ich finde es nicht ganz recht, daß MoroPBernstein, Moro, Lehrer, verh. mit Maja Rosenberg sich überhaupt an mich gewandt hat. Du hast ihm hoffentlich 🕮 auch nichts zur Bekräftigung seines Verdachtes mitgeteilt. Das sind doch sonderbare Menschen, die ich nie ganz verstehen werde – einerseits so frei, und dann doch in irgendeinem Punkte so hartnäckig gebunden. Ich hoffe herzlich, daß unsere FreundePRosenberg, Maja, 1904–1969, russ.-israel. Pädagogin, Schülerin von Moritz Schlick, verh. mit Moro BernsteinPBernstein, Moro, Lehrer, verh. mit Maja Rosenberg doch endlich in Palestina Rechtschr. ihren Seelenfrieden erlangen.
Ich habe hier natürlich wieder nicht so viel gearbeitet, wie ich eigentlich vorhatte, bin aber im ganzen mit den Ferien bisher doch äußerst zufrieden. Meiner FrauPSchlick, Blanche Guy, 1881–1964, geb. Hardy, verh. mit Moritz Schlick geht es gut, und beide KinderPSchlick, Albert, 1909–1999, Elektroingenieur, Sohn von Moritz SchlickPSchlick, Barbara, 1914–1988, verh. van de Velde, Tochter von Moritz Schlick haben sich vortrefflich erholt. Ich werde Dir in Wien einige nette Aufnahmen zeigen, die unser Leben hier illustrieren. Von Frau MauPGramm, Dorothea, 1896–1975, geb. Stadler, genannt Maue, verh. mit Josef Gramm erhielt ich einen reizenden Brief. Ich bin sehr neugierig, wie es mit Deinem BucheB geworden ist. Wenn ich bei einem neuen Verleger etwa durch eine Empfehlung 🕮 noch ein bißchen helfen kann, so laß’ es mich bitte wissen!
Ich hoffe, daß du froh und munter bist und daß wir uns in Wien in bester Gesundheit wiedersehen. Leb wohl und sei herzlich gegrüßt

von Deinem
M. Schlick

Also: Riccione (presso Rimini)
ferma in posta.

Brief, hsl., 4 Seiten, RC 029-31-10; Briefkopf: hsl. Millstatt, 4. 9. 27.


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