\brief{Rudolf Carnap an Moritz Schlick, 11. April 1927}{April 1927} %Bamberg, den 11. Apr. 1927. \anrede{Lieber Herr Schlick,} \haupttext{besten Dank für Ihre Briefe vom 21. u. 31. März und vor allem für Ihre freundlichen Bemühungen bei Springer\II{\springerverlag} wegen meines Buches\IC{\konstitutionstheorie}, und für Ihr Gutachten (dessen Urteil aber mehr freundlich als objektiv ist). Ich hoffe, Sie haben inzwischen die Magengrippe mit allen Folgen glücklich überwunden, und wünsche Ihnen, daß Sie Ihre Italiensehnsucht inzwischen oder zu Ostern doch noch verwirklichen. Mir gehts gesundheitlich gut. Wir haben jetzt noch ein pa[a]r schöne Tage hier in Bamberg. Dann fährt Maue\IN{\maue} zu Gramm\IN{\gramm} nach München (Pension Osborne, Kaulbachstr. 93); sollten Sie nach M[ünchen] kommen, so dürfen Sie nicht versäumen, sie zu besuchen und auch G[ramm]\IN{\gramm} kennen zu lernen. Ich fahre am 15. oder 16. über Stuttgart, wo ich Reichenbach\IN{\reichenbach} und Härlen\IN{\haerlen} sprechen will, nach Buchenbach. Ich habe mich in Berlin bei der \uline{Notgemeinschaft}\II{\notgemeinschaft} nach den näheren Bedingungen erkundigt und dann jetzt das Gesuch hingeschickt, dessen Durchschlag ich Ihnen beilege. Ich werde an Benary\IN{\benary} schreiben, daß ich dies Gesuch eingereicht habe, mich aber dadurch noch nicht an ihn gebunden halte, auch wenn die NG\II{\notgemeinschaft} auf das Gesuch hin sich an ihn wegen der Kalkulation der Druckkosten wenden wird. Es waren zwischen mir und Benary\IN{\benary} auch noch gar keine näheren Bedingungen vereinbart und keine Festlegung geschehen, sodaß ich durchaus noch freie Hand habe. Ich lege Wert darauf, weil ich doch lieber das Buch bei Springer\II{\springerverlag} oder auch vielleicht einem andern großen Verlag erscheinen lassen würde, falls sich die Möglichkeit dazu ergibt und ich annehmbare Bedingungen bekommen würde. Ich mußte aber in dem Gesuch Benary nennen, weil die NG\II{\notgemeinschaft} verlangt, daß das Gesuch \neueseite{} des Verfassers die Bereiterklärung eines Verlegers enthält. Es wurde mir gesagt, daß die NG\II{\notgemeinschaft} dabei annimmt, daß man auch bei dem im Gesuch genannten Verlag bleibt; doch würde u.U. eine Ausnahme möglich sein. Von \uline{Springer}\II{\springerverlag} habe ich in Berlin nichts gehört[,] wollte auch nach allem Vergangenen nicht gern von mir aus ungerufen hingehn. Halten Sie es für möglich, daß Springer\II{\springerverlag} das Buch\IC{\konstitutionstheorie} ungekürzt annehmen würde (natürlich außerhalb der Slg.\II{\schriftenwisswelt}), falls die NG\II{\notgemeinschaft} einen Zuschuß bewilligt? Das wäre mir ja am liebsten. Soll ich vielleicht deswegen an Friedländer\IN{\friedlaender} schreiben? Wenn Spr[inger]\II{\springerverlag} sich bald hierzu bereit erklären würde, so könnte ich der NG\II{\notgemeinschaft} noch nachträglich ihn anstelle des Weltkreis-V[erlages]\II{\weltkreis} nennen, sodaß die Vereinbarung dann gleich zwischen der Ng\II{\notgemeinschaft} und Spr[inger]\II{\springerverlag} geschehen würde. Das wäre der NG\II{\notgemeinschaft} auch lieber; denn sie will die Sicherheit haben, daß bei Gewährung des Zuschußes das Buch\IC{\konstitutionstheorie} auch wirklich erscheint, und legt deshalb Wert darauf, daß der Verlag, mit dem sie die Vereinbarung trifft, in seiner wirtschaftl[ichen] Leistungsfähigkeit zu keinen Zweifeln Anlaß gibt. Sollte der Zuschuß von der NG\II{\notgemeinschaft} nicht bewilligt werden, so werde ich mich bemühen, einen Teil der Kosten selbst aufzubringen und daraufhin mit Benary\IN{\benary} oder einem andern Verleger zu einer Einigung kommen. Der Vorschlag von Springer\II{\springerverlag}, mit dem gr. Buch\IC{} zu warten, bis sich ein Erfolg des kleinen sehen läßt, scheint auch mir unannehmbar. Falls das gr.\IC{} bei Spr[inger]\II{\springerverlag} erscheint, so brauchten wir das kl.\IC{} nicht mehr[,] das wäre ja auch ein Grund, der für Spr[inger]\II{\springerverlag} spricht. Falls das gr.\IC{} bei einem andern Verleger erscheint, möchte ich nochmal mit Ihnen überlegen, ob es die Mühe lohnt, noch ein kl.\IC{} zu schreiben.~\neueseite{} 12.\,IV. Heute erhielt ich Ihren Brief vom 7. Haben Sie vielen Dank für Ihre Bemühungen bei Cassirer\II{\cassirerverlag}. Ich bin ganz gerührt darüber, daß Sie sich für mein Buch\IC{\konstitutionstheorie} so einsetzen, als wäre es Ihr Eigenes. Und dabei haben Sie noch so viel zu tun, daß Sie gar nicht zu richtigen Ferien kommen und Italien anscheinend in völliger Resignation begraben haben. Können Sie nicht noch zu Ostern oder auch nachher noch hinreisen? Ich habe meinen Zettel fürs Schwarze Brett an die Fakultät\II{\fakultaetwien} geschickt. Diesmal nur einen, weil das Thema (Probl[eme] der Erk[enntnis]-th[orie]) sich nicht speziell auf Math[ematisches] oder Physikalisches bezieht. Oder lassen Sie Ihre Zettel auch noch in den Instituten aushängen? Wenn Sie es für ratsam halten, schicke ich auch noch meine Zettel hin. Da ich nur Do[nnerstag] lese, habe ich als Beginn den 5.\,Mai angegeben. Ihre guten Wünsche, daß wir gesund und fröhlich sein möchten, sind erfüllt. Maue\IN{\maue} läßt Sie sehr herzlich grüßen. Bitte grüßen Sie auch Ihre Frau\IN{\schlickfrau}, und Albert\IN{\schlickalbert} und Barbara\IN{\schlickbarbara}; ich wünsche Ihnen allen recht schöne Ostertage (hier schneits und sonnenscheints in lieblichem Wechsel),} \grussformel{Ihr\\ R. Carnap} \briefanhang{\textkritikl Diese Feder hemmt den ganzen Morgen schon meinen Geist! Sodaß ich kein liebliches Dessert unter diesen soliden Männerbrief setzen kann, da nützt alle Anhänglichkeit an Schlicks\IN{\schlick} \IN{\schlickfrau} nix. Hab Sehnsucht nach dem kleinen Wüstenhündchen, ob man es wohl nach München holen könnte zum Europa-Abschied? -- Hier ist es so verschlafen, ver \neueseite{} wunschen u. voll Kunstgeschichte, daß Carnap\IN{\carnap} mit Nächstem verzweifeln wird. Es ist ihm schon ganz unheimlich vor Verträumtheit u. vor unsachlich verzierten Häusern. Er selber aber kauft mir Marzipan in der sachlich völlig unbegründeten Gestalt von Zwillingshäschen in einem Ei! Es geht uns also gut. Carnap\IN{\carnap} muß Barba[ra]\IN{\schlickbarbara} noch erzählen, wie nett die Kinder im Tiergarten geritten sind u. ihr den Mund wässerig machen! Das wird eine schöne Quälerei für den erweichbaren Vater\IN{\schlick} bedeuten! Ihnen allen herzliche Ostergrüße \grussformel{Ihre\\ Mau Gramm.\textkritikr\fnAmark}}\fnAtext{Hsl.} \ebericht{Brief, msl., Anhang hsl., 4 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/871024}{MS 95/Carn-14 (Dsl. RC 029-32-06)}; Briefkopf: msl. \original{Bamberg, den 11.\,Apr. 1927}.}