gestern Abend erhielt ich von SpringerISpringer Verlag das einliegende Schreiben, dessen Inhalt er mir schon vorher telephonisch mitgeteilt hatte. Der Brief befriedigt mich garnicht recht, obgleich SpringerISpringer Verlag sichtlich bereit ist, das große BuchB zu verlegen, nachdem der kurze AbrißB erschienen ist. Ich schlage deshalb vor, die Suche nach einem andern Verleger eifrig weiter zu betreiben. An CassirerPCassirer, Ernst, 1874–1945, dt.-am. Philosoph habe ich mich schon mit der Anfrage gewandt, ob das BuchB1928@Der logische Aufbau der Welt, Berlin-Schlachtensee, 1928 wohl nach seiner Meinung für den Verlag seines BrudersaEs handelt sich nicht um den Bruder, sondern um eine zufällige Namensgleichheit. Vgl. Brief Nr.223PCassirer, Bruno, 1872–1941, dt.-brit. VerlegerIBruno Cassirer Verlag in betracht komme. Von seiner Antwort werde ich Sie in Kenntnis setzen. Der Plan mit dem Weltkreis-VerlagIWeltkreis Verlag und der NotgemeinschaftINotgemeinschaft der deutschen Wissenschaft ist gut, und Sie werden ihn gewiß weiter verfolgen. Ich lege Ihnen ein Gutachten bei, das Sie gegenüber der NGINotgemeinschaft der deutschen Wissenschaft (oder sonstwo) verwenden können. PlanckPPlanck, Max, 1858–1947, dt. Physiker in der Sache zu bemühen, hätte, glaube ich, nicht viel Zweck, da er mit der philosophischen Abteilung direkt nichts zu tun hat. In dieser Abteilung sitzt, so viel ich weiß, Erich BecherPBecher, Erich, 1882–1929, dt. Philosoph und Psychologe, der sicher warm für Sie eintreten wird. An Ihrer Stelle würde ich jedenfalls sofort mit der NGINotgemeinschaft der deutschen Wissenschaft in Verbindung treten, um mich eines Kostenbeitrages zu versichern. Ich werde außerdem in diesen Tagen an J. A. BarthIVerlag Barth schreiben. Wenn wir das Buch bald anbringen, würden Sie nicht nötig haben, den kurzen AbrißB zu schreiben. Oder würden Sie dies etwa auf jeden Fall gern tun?
Für Ihren Brief, der sich mit meinem kreuzte, vielen Dank. Auch Frau MauPGramm, Dorothea, 1896–1975, geb. Stadler, genannt Maue, verh. mit Josef Gramm danke ich sehr herzlich für Ihre Zeilen. Meinen Entschluß, in diesen Osterferien nicht nach Italien zu reisen, bereue ich schon; ich habe hier wenig Ruhe. Die Beethoven-Festlichkeiten sind schön, aber sehr anstrengend. Mit MajaPRosenberg, Maja, 1904–1969, russ.-israel. Pädagogin, Schülerin von Moritz Schlick, verh. mit Moro Bernstein habe ich meine liebe Not, seit sie ihre Examens-Sorgen los ist. Viele Tränen. Heute hat mich der Mathematiker MisesPMises, Richard von, 1883–1953, öst.-am. Mathematiker besucht. Außerdem ein sehr 🕮 genialer junger Mann, ein Berliner, der die Geometrie vieldimensionaler Räume in verblüffender Weise auf die in der Musikwissenschaft anwendet.
Von Prag habe ich garnichts gehört, doch erwarte ich FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank nächstens in Wien und werde ihn dann ausfragen.
Ihre Gesundheit macht hoffentlich weiter gute Fortschritte.
Ich grüße Sie und Frau MauPGramm, Dorothea, 1896–1975, geb. Stadler, genannt Maue, verh. mit Josef Gramm aufs allerherzlichste und bleibe mit den schönsten Wünschen für Sie beide
Abschrift.
Das Buch „Der logische Aufbau der Welt“B1928@Der logische Aufbau der Welt, Berlin-Schlachtensee, 1928 von Privatdozent Dr. Rudolf CarnapPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap stellt eine Leistung allerersten Ranges dar, und dem Werk kommt zweifellos eine hervorragende Bedeutung in der philosophischen Literatur der Gegenwart zu. Es ist dem Verfasser gelungen, die strengen Methoden, die in der modernen symbolischen Logik entwickelt wurden, auf die Lösung philosophischer Probleme mit erstaunlichem Erfolge anzuwenden. Dadurch kommt er einer wirklich exakten Philosophie, wie sie den besten Köpfen von jeher als Ideal vorschwebte, (es sei besonders an LeibnizPLeibniz, Gottfried Wilhelm, 1646–1716, dt. Philosoph erinnert), in ganz unerwartetem Maße näher, und sein Werk bekommt auf diese Weise einen ganz grundlegenden Charakter. Kein künftiger Erkenntnistheoretiker wird an dem Buche vorübergehen können, und es ist in jeder Beziehung dringend zu wünschen, daß es sobald wie irgend möglich im Druck erscheint. Schon auf Grund seines eminenten inneren Wertes darf man dem BuchB1928@Der logische Aufbau der Welt, Berlin-Schlachtensee, 1928 auch einen bedeutenden äußeren Erfolg voraussagen, aber dieser wird sich um so sicherer einstellen, als das WerkB1928@Der logische Aufbau der Welt, Berlin-Schlachtensee, 1928 durch eine fesselnde und überaus klare Schreibweise ausgezeichnet ist. Der VerfasserPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap ist überall leicht verständlich, auch dort, wo seine Analysen in die größte Tiefe führen; er leitet den Leser so unmerklich vom Leichten zum Schweren, daß die Lektüre zu einem Genuß wird. Ich kann die Publikation des WerkesB1928@Der logische Aufbau der Welt, Berlin-Schlachtensee, 1928, das sich aus der zeitgenössischen philosophischen Produktion so überragend heraushebt, kaum angelegentlich genug empfehlen.
Abstand
Wien, 31. März 1927
Philosophisches Institut
Universität Wien