\brief{Moritz Schlick an Rudolf Carnap, 21. März 1927}{März 1927} %TRANSKRIPTION FEHLT !!!??? %transkribiert Josef Pircher \anrede{Lieber Carnap,} \haupttext{es scheint mir, als ob Sie schon furchtbar lange fort wären, doch sind Sie, glaube ich, erst heute vor 14 Tagen abgereist. Ich hoffe sehr, daß Ihr Thorax inzwischen alles überflüssige Pneuma verloren hat, und daß Sie wieder ganz munter sind. Hier ist es nicht übermäßig gut gegangen. Nachdem ich schon länger an einer kleinen verschleppten Erkältung laboriert hatte, bekam ich ganz plötzlich eine unangenehme Magengrippe, die mich eine Woche lang ans Bett fesselte. Heute bin ich zum ersten Mal wieder etwas arbeitsfähig. Vor mir war der Direktor Friedländer\IN{\friedlaender} krank, und so erklärt es sich, daß ich ihn erst heut telephonisch von der neuen Wendung der Dinge betreffend Ihr Buch\IC{\konstitutionstheorie} in Kenntnis setzen konnte. Als ich Ihm den Plan des kurzen Abrisses\IC{} unterbreitete, gegen dessen Aufnahme in unsere Sammlung\II{\schriftenwisswelt} er natürlich nichts einzuwenden hatte, war seine erste Frage nach dem Schicksal des großen Buches; und als ich ihm sagte, daß wir einfach einen andern Verleger suchen, war er doch etwas bestürzt. Er meinte, Springer könne es vielleicht später doch verlegen, nachdem der Abriß\IC{} gute Besprechungen gefunden hätte, aber ich erklärte ihm, darauf könnten wir unmöglich warten, auch habe Sp[ringer]\II{\springerverlag} nach seiner bisherigen Ablehnung sozusagen kein moralisches Anrecht darauf. Dies machte ihn sehr nachdenklich, und er schlug alsbald vor, noch einmal an das Berliner Haus heranzutreten. Er wollte noch heute schreiben (und hat dies inzwischen getan), um Springer die neue Sachlage klarzulegen. Entschließt er sich doch noch, das große Buch (außerhalb unserer Serie natürlich) zu drucken, so könnten wir auf den Abriß verzichten, was Ihnen aus arbeitsökonomischen Gründen gewiß sehr willkommen wäre; andernfalls bleibt es bei unserm zuletzt erwogenen Plane. Ich habe den Eindruck, daß die Sache ziemlich günstig steht, wir üben auf Sp[ringer]\II{\springerverlag} einen gewissen Druck aus. Fr[iedländer] erwartet die endgültige Antwort von Sp[ringer]\II{\springerverlag} innerhalb einer Woche, die Sache wird sich also schnell entscheiden. Ich sagte Ihm noch, daß wir nach den bisherigen Verzögerungen keine weitere Zeit unnötig verlieren möchten und auf jeden Fall auch mit andern Verlegern verhandeln müßten. Da bat er, Sie möchten wenigstens vorher keinen Vertrag abschließen. Falls Sie nicht etwa inzwischen mit dem Weltkreisverlag\II{\weltkreis} einig geworden sind, wird das ja auch nicht geschehen. Ich habe Fr[iedländer]\IN{\friedlaender} Ihre Berliner Adresse zur Wei\neueseite{}[ter]gabe an Sp[ringer]\II{\springerverlag} mitgeteilt; das Berliner Haus wird sich also mit Ihnen vermutlich sogleich direkt in Verbindung setzen. In den nächsten Tagen werde ich an Cassirer\IN{\cassirerernst} in Hamburg schreiben und dabei nicht vergessen, die vereinbarte Anfrage an ihn zu richten: Mit dem Schreiben an J. A. Barth\II{\barthverlag} warte ich lieber, bis ich Sp[ringer]s\II{\springerverlag} Antwort weiß. Die dumme Krankheit hat mich recht zurückgeworfen; nun habe ich in dieser Woche die in der vorigen versäumten Examina nachzuholen. Morgen allein 15 Doctor-Prüfungen! Wien hat in diesen Tage wärmsten Frühling. Meine Sehnsucht nach Italien ist ungeheuer, aber ich bezähme sie doch. Von Maja\IN{\maja} hörte ich seit einer Woche nichts, hoffentlich ist sie nicht auch krank. Haben Sie schöne Tage in Berlin? Ich hoffe herzlich, daß Sie Frau Mau\IN{\maue} gesund und fröhlich angetroffen haben, und bitte ihr viele Grüße auszurichten. Auch für Sie selbst die besten Grüße und Wünsche!} \grussformel{Ihr\\ Moritz Schlick} \briefanhang{P.S. Daß Maja\IN{\maja} den letzten Teil ihres Doctorexamen bestanden hat, und zwar ,,per vota maiora mit Auszeichnung``, wird sie Ihnen schon mitgeteilt haben. Es ist sehr gut, daß sie die Arbeit und Aufregung hinter sich hat, aber es ist weniger gut, daß sie nun wieder Muße hat, zu viel über Persönliches nachzugrübeln. Mögen ihr die letzten Monate in Wien leicht werden.} \ebericht{Brief, msl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/871014}{RC 029-31-13}; Briefkopf: msl. \original{ Wien IV, 21.\,März 1927 \,/\, Prinz-Eugen-Stra[ße] 68}.}