Hans Reichenbach an Rudolf Carnap, 18. September 1926 September 1926

Lieber Carnap!

ich bin sehr entsetzt über Ihre Erkrankung! Wie kommen Sie denn zu so greulichen Dingen? Ich kenne Sie eigentlich nur als das Urbild der Gesundheit, und nun wollen Sie so etwas anfangen?

Seien Sie nur recht vorsichtig! Wenn Sie im W.S. in Wien noch nicht anfangen können, so schadet das gar nichts. Jetzt, wo Sie Ihre dicke große ArbeitB1928@Der logische Aufbau der Welt, Berlin-Schlachtensee, 1928 fertig haben, haben Sie eigentlich ein halbes Jahr Erholung verdient. Das Vorlesen strengt mehr an, als man ahnt, übrigens auch schon das bloße Sprechen, und abbrechen will man auch nicht, wenn man mal angefangen hat. Die Hauptsache ist, daß Sie erst mal wieder ganz gesund werden, und dazu ist sicher im Gebirge die beste Gelegenheit.

Ich kann nun leider doch nicht nach Düsseldorf fahren, weil ich das Reisegeld nicht bekomme. Sie können natürlich jetzt auch nicht nach Stuttgart. Schade, nun kann ich Sie vorerst nicht treffen. Vielleicht wird es im Winter mal möglich? Wenn Sie irgendwo im Gebirge sind, so kann ich vielleicht im Winter mal hinkommen.

In Ihrem Buch konnte ich bisher nur auszugsweise lesen, und fand Ihre Darstellung sehr gründlich. Es ist sehr gut, daß Sie diese Dinge mal dargestellt haben. Ich stimme Ihnen in vielem zu, es hat sich doch jetzt allmählich schon ein ganz bestimmter Stoff als Allgemeingut herausgebildet, und man kann wieder auf eine Wissenschaft der Philosophie hoffen, in der es Wahrheiten gibt, die von den Systemen unabhängig sind. Es ist doch sehr schön, daran zu arbeiten, mit Büchern kann man heute vielleicht noch mehr schaffen als mit Vor 🕮es scheint eine Seite zu fehlen weil jetzt gerade an dem schriftlichen Ausarbeiten sehr viel liegt, und man damit in weitere Kreise dringt.

Also machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie noch ein halbes Jahr für Ihre Gesundheit einschieben können! Ich bin sicher, daß Sie sich dann wieder vollständig erholen werden.

Schreiben Sie mir bald mal, wohin Sie gehen, und wie es Ihnen geht. Es ist doch sehr schade, daß ich Sie nicht besuchen kann.

Ich wünsche Ihnen recht gute Besserung.

Ihr
[Hans Reichenbach]

Brief, msl. Dsl., 2 Seiten, HR 015-03-18; Briefkopf: msl. 18. IX. 26.


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