Rudolf Carnap an Wilhelm Flitner, 5. März 1926 März 1926

Lieber Wilhelm!

Hier die erbetene Auskunft über Glaris: Es gibt da zunächst die Wohnung im Haus „Rüti“, nah am Bahnhof. 1 Wohnz[immer], 2 Schlafz[immer] mit je 2 Betten, Küche. Wird vermietet durch Gasthaus „Post“, monatlich 120 fr. Hier wohnten im vorigen Jahr FranzPRoh, Franz, 1890–1965, dt. Kunstkritiker, verh. mit Hilde Roh und GiedionPGiedion, Sigfried, 1888–1968, schweiz. Architekturhistoriker, verh. mit Carola Giedion-Welcker, als wir sie besuchten. Dies Jahr wohnten dort G[iedion]sPGiedion, Sigfried, 1888–1968, schweiz. Architekturhistoriker, verh. mit Carola Giedion-WelckerPGiedion-Welcker, Carola, 1893–1979, dt.-schweiz. Kunsthistorikerin, verh. mit Sigfried Giedion und MoholyPMoholy-Nagy, László, 1895–1946, ung.-am. Maler und Fotograf, bis 1929 verh. mit Lucia Moholy, ab 1932 verh. mit Sibyl Moholy-Nagy, unterr. 1923–1928 am Bauhaus, gründete 1937 in Chicago das New Bauhaus (ab 1939 Chicago School of Design) und FrauPMoholy, Lucia, 1894–1989, tschech.-brit. Fotografin, bis 1929 mit László Moholy-Nagy verh. (ich hatte ein Zimmer in der „Post“). Da es nicht für einen ganzen Monat genommen wurde, haben diesmal G[iedion]sPGiedion, Sigfried, 1888–1968, schweiz. Architekturhistoriker, verh. mit Carola Giedion-WelckerPGiedion-Welcker, Carola, 1893–1979, dt.-schweiz. Kunsthistorikerin, verh. mit Sigfried Giedion pro Tag und Bett 2 fr. zahlen müssen, genauso viel wie ich in der Post. Für weniger als einen Monat ist also die Wohnung nicht billiger als das Gasthaus, freilich gemütlicher, weil man für sich ist. Billiger wirds nur dadurch, daß man sich da selbst verpflegen kann, oder wenigstens morgens und abends. Hiernach scheints mir richtiger, in den Gasthof zu gehen. Auch wenn ich mitkäme, was nicht ausgeschlossen ist. Ich würde dann aber vorschlagen, lieber das Gasthaus „Spinabad“ zu nehmen, weil dabei eine kleine Liegehalle ist.

An FranzPRoh, Franz, 1890–1965, dt. Kunstkritiker, verh. mit Hilde Roh schrieb ich sofort. Wenn er mitkommt, lohnt sich die Wohnung sicher, zumal wenn HildePRoh, Hildegard (Hilde), 1890–1945, geb. Heintze, Krankengymnastin, verh. mit Franz Roh mitkommt und unsre Kochkünste unterstützt.

Wenn Du gern bald in Höhe, Sonne und Stille kommen willst, so fahre am besten gleich los. Im Spinabad oder der Post ist auf jeden Fall Platz. Nur Pass ist nötig, kein Visum mehr. Du fährst über Davos; Glaris ist zwei Stationen weiter südlich. Falls dann ich und vielleicht auch RohsPRoh, Hildegard (Hilde), 1890–1945, geb. Heintze, Krankengymnastin, verh. mit Franz RohPRoh, Franz, 1890–1965, dt. Kunstkritiker, verh. mit Hilde Roh hinkommen, können wir dann immer noch sehn, wie wir es uns am besten einrichten. Geheiztes Zimmer kostet etwa 2‚50-3‚50 fr. dazu Verpflegung etwa 7-9 fr. So billig wie bei Selbstverpflegung in „Rüti“ ists ja nicht. 🕮

Mit meinem Bein gehts ziemlich gut. Skilaufen kann ich nicht, aber spazierengehn (nicht so lange). Der Knochenbruch ist längst geheilt, aber die Bänder am Fußgelenk sind noch schwach. Die klinisch-orthopädische Behandlung ist diese Woche beendet worden. Da ich aus Wien erfuhr, daß meine Anwesenheit dort nicht unbedingt erforderlich ist, bin ich nicht hingefahren. Die Sache dort läuft inzwischen ihren Gang. Vermutlich kann im Mai (wenn es glückt) die Habilitation stattfinden.

ElisabethPCarnap, Elisabeth, 1895–1987, auch Cha oder Chacha, Grafologin, Tochter von Luisa und Heinrich Schöndube, von 1917 bis 1929 verh. mit Rudolf Carnap und der kleinen ElinePCarnap, Eline Dorothea, *1926, verh. Angermann, auch Lini, Graphologin, Tochter von Elisabeth Carnap und Broder Christiansen gehts gut. E[line]PCarnap, Eline Dorothea, *1926, verh. Angermann, auch Lini, Graphologin, Tochter von Elisabeth Carnap und Broder Christiansen mußte aber ein paar Tage mit Grippe zubett liegen, das ist aber jetzt auch überstanden; das Kind gedeiht vorzüglich.

Von RohsPRoh, Hildegard (Hilde), 1890–1945, geb. Heintze, Krankengymnastin, verh. mit Franz RohPRoh, Franz, 1890–1965, dt. Kunstkritiker, verh. mit Hilde Roh habe ich lange nichts gehört, weiß nicht, ob und wie lange sie noch in M[ünchen] sind und wie es mit der Professur geworden ist. Durch den vorliegenden Anlaß werden wir es ja erfahren.

An die Glariser Wirtsleute schreibe ich also nicht. Bitte gib mir recht bald Nachricht, sobald Du weißt, ob und wann Du fährst, und für wie lange etwa.

An LisiPFlitner, Elisabeth, 1894–1988, geb. Czapski, Lisi genannt, dt. Nationalökonomin, heiratete 1917 Wilhelm Flitner herzliche Grüße, auch von ElisabethPCarnap, Elisabeth, 1895–1987, auch Cha oder Chacha, Grafologin, Tochter von Luisa und Heinrich Schöndube, von 1917 bis 1929 verh. mit Rudolf Carnap. Es ist ja schlimm, wie das letzte halbe Jahr von Mißgeschicken erfüllt war. Hoffentlich gehts nun bald besser, besonders auch gesundheitlich.

Herzlichst

Dein
R.C.

Brief, msl., 2 Seiten, WF; Briefkopf: msl. Buchenbach i. B., den 5. März 1926.


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