\brief{Rudolf Carnap an Franz Roh, 2. Februar 1926}{Februar 1926} %Buchenbach i.B., den 2.Febr.1926. \blockade{Ergänzungen der Eigennamen zu riskant} \anrede{Lieber Franz!} \haupttext{Endlich soll Dir für Dein Buch\IW{} Dank gesagt werden. Oft hab ich mir schon die Bilder angesehn, auch verschiedene Kapitel gelesen, freilich sehr mit Auswahl, immerhin in einem größeren Bruchteil, als Du später meiner ,,Konstitutionstheorie``\IC{\konstitutionstheorie} die Ehre geben wirst. In Glaris haben wir auch mal zusammen ein Kapitel vorgelesen; da kam der Vergleich mit Einstein\IN{\einstein} vor; darüber sollte ich dann immer mal referieren, wir kamen aber nicht mehr dazu. Elisabeth\IN{\elisabeth} nimmt dafür das Buch\IW{} um so gründlicher durch, zu zweit, versteht sich. Wir haben alle sehr bedauert, Dich nicht in Glaris dabei gehabt zu haben, sowohl rein menschlich, als auch in den Diskussionen, z.\,B. mit Jacoby\IN{\jacoby} über seine anziehende und sicher sehr gute Einstellung zu Musik und sonstigen Dingen und seine nicht immer einwandfreie Theorie hierüber; ferner über das Eheproblem, wobei auch Hilde\IN{\rohhilde} gewinnbringend beigesteuert haben würde. Mit diesem Thema hatten G[iedion]s\IN{\giedion}\IN{\giedionfrau} und M[oholy]s\IN{\moholy}\IN{\luzia} schon in Kilchberg\blockade{steht so. KiRchberg gemeint?} heftig angefangen. Eine Frucht der Weiterführung in Glaris leg ich bei (\uline{bitte zurück!}); nach einem Gespräch von Moholy\IN{\moholy} diktiert, von mir stenogr[aphiert] und hier getippt und mit einigen Änderungsvorschlägen versehen. Punkt 3a ist, wie Du merken wirst, SG's\IN{\giedion} Fassung, 3b von M[oholy]\IN{\moholy} und uns andern. Mit CW\IN{\giedionfrau} hab ich mich gut vertragen, vielleicht auch gut verstanden, leider aber wenig reden können, da SG\IN{\giedion} als achtsamer Schäferhund scharf aufpasste, daß sein Lamm und der böse Wolf auch nicht eine Viertelstunde allein blieben. Daß ich das mal offen mit ihm reden mußte, wird Dir klar sein. Das gab natürlich unvermeidlich einige Belastung für ihn, an der wir jedoch unser im übrigen gutes Einvernehmen nicht scheitern zu lassen uns mit Erfolg bemüht haben. Das Genauere eignet \neueseite{} sich weniger für brieflichen Bericht. Zuletzt waren wir noch auf der Parsenn. Als SG\IN{\giedion} und CW\IN{\giedionfrau} abgereist waren, bin ich noch einen Tag geblieben, um die Parsennabfahrt noch einmal bei schönerem Wetter zu machen. Das gelang auch. Leider verknaxte ich mir ziemlich oben den Fuß. Zum Glück erfuhr ich erst eine Woche später, daß das Wadenbein gebrochen war. Ich hielt nur einige Sehnen für gezerrt und machte daher die Abfahrt, wenn auch langsam, so doch relativ vergnügt und ohne Hilfe. Nun heißts freilich, Geduld zu haben. Es ist aber sehr gut geheilt. Ob und wann ich nach Wien fahre, weiß ich nun noch nicht. Vielleicht wirds auch nicht nötig sein, wenn die Kommission\II{} mit ihrer langwierigen Arbeit doch erst im S.S. fertig wird. Falls ich hinfahre, würde ich Euch gern besuchen. Falls nicht, auch. Aber das ist dann noch unsicher\sout{er}. Vielleicht Ende Februar? Wie (und ob) würde es Euch passen? Ich fürchte doch, wenn Ihr mal erst in Osteuropa versunken seid, bekommt man Euch nicht so bald wieder in kultivierteren Gegenden zu sehen. Wie ich hörte, wolltest Du, Franz, in nächster Zeit mal mit CW\IN{\giedionfrau} nach Paris. (,,Bei Franz kann man doch nichts dagegen haben`` meinte SG\IN{\giedion}; ist denn mein Einfluß auf die Menschen so viel verderblicher?). Ich hoffe sehr: erstens, daß Ihr es tut, zweitens, daß Du auf der Durchreise uns hier besuchst. Sollte der schöne Plan nur an finanziellen Bedenken haken, so schlage ich Dir allen Ernstes einen Pump bei mir vor; seit dem Tage der winkenden Professur (und sei es auch erst in 5 Jahren) ist Dein Kredit bei mir ins Ungemessene gestiegen. (Dies sollte unausgesprochen deutlich sein; drum wird Dir das Nichterscheinen in Glaris nicht verziehen). Stünde die Wahl so, daß ich Dir oder mir dies Unternehmen ermöglichen könnte, so kämst Du freilich schlecht weg; da es aber heißt: Du oder keiner, so scheinst Du mir das kleinere Übel. Dir und Hilde\IN{\rohhilde} herzl[ichen] Gruß} \grussformel{Dein\\ Rudi} \ebericht{Brief, msl., 2 Seiten, FR; Briefkopf: msl. \original{Buchenbach i.\,B., den 2.\,Febr. 1926}.}