\brief{Rudolf Carnap an Dekanat der Philosophischen Fakultät Wien, 3. Dezember 1925}{Dezember 1925} \anrede{\uline{Gesuch um Erteilung der Lehrbefugnis für Logik und Erkenntnistheorie}} \haupttext{Ich bitte um Erteilung der Lehrbefugnis innerhalb des Faches der Philosophie für die Teilgebiete der Logik und Erkenntnistheorie. Als Habilitationsschrift\IC{\konstitutionstheorie} reiche ich die Abhandlung ein: ,,Konstitutionstheorie der Erkenntnisgegenstände. Logische Untersuchungen zu einem System der Begriffe``.\IC{\konstitutionstheorie} Ich bitte um Erlaubnis, die Arbeit als Manuskript vorlegen zu dürfen. Den ersten Teil der Schrift übersende ich gleichzeitig[,] der zweite folgt in einigen Wochen. Bestimmungsgemäß übersende ich zwei Exemplare der Schrift. Als weitere wissenschaftliche Arbeiten lege ich vor \noindent{} (1-4 in Sonderdrucken, 5 im Manuskript): \blockade{Formatierung der folgenden Punkte!} 1). ,,Der Raum. Ein Beitrag zur Wissenschaftslehre``\IC{\rjdissertation}. Dissertation für die Promotion an der Philosophische Fakultät der Universität Jena, 1921. Auch erschienen als Ergänzungsheft 56 der Kantstudien\II{\kantstudien}, 1922. 2.). ,,Über die Aufgabe der Physik und die Anwendung des Grundsatzes der Einfachstheit``\IC{\aufgabederphysik}. Kantstudien\II{\kantstudien} XXVIII, 1923. 3). ,,Dreidimensionalität des Raumes und Kausalität. Eine Untersuchung über den logischen Zusammenhang zweier Fiktionen``\IC{\dreidimensionalitaet}. Annalen der Philosophie\II{\annalenderphilosophie} IV, 1924. \neueseite{} 4). ,,Über die Abhängigkeit der Eigenschaften des Raumes von denen der Zeit``\IC{\rjzeitaufsatz}. Kantstudien\II{\kantstudien} XXX, 1925. 5). ,,Topologie der Raum-Zeit-Welt.\IC{\rjzeit} Axiomatisch dargestellt mit den Mitteln der symbolischen Relationstheorie``. 1.\,Teil Das Doktordiplom, die Darstellung des Lebenslaufes und das Programm der beabsichtigten Vorlesungen füge ich bei. Bestimmungsgemäß verpflichte ich mich, meinen Wohnsitz nach Wien zu verlegen, wenn mir die Lehrbefugnis erteilt wird. \noindent{}Die Einreichung des Gesuches erfolgt im Einverständnis mit Herrn Prof. Schlick.} \grussformel{Dr. phil. Rudolf Carnap} \briefanhang{\uline{Abschrift} \uline{Lebenslauf.} Ich bin am 18.\,Mai 1891 zu Ronsdorf bei Bremen geboren; meine Eltern waren der Bandfabrikant Johannes Carnap\IN{\carnapvater} und seine Frau Anna Carnap\IN{\rjcarnapmutter}, geb. Dörpfeld, die Verfasserin der Biographie des Pädagogen Fr[iedrich] W[ilhelm] Dörpfeld\IN{\doerpfeldfriedrichwilhelm}. Ich habe eine Volksschule in Bremen und die Gymnasien in Barmen und Jena besucht und an dem \textkritik{letzteren}\fnA{Original \original{letztenren}} 1910 die Reifeprüfung abgelegt. Danach habe ich an den Universitäten Jena\II{\unijena} und Freiburg\II{\unifreiburg} Physik, Mathematik, Philosophie und Psychologie studiert. Meine Lehrer waren hauptsächlich die Herren Professor Auerbach\IN{\auerbachfelix}, Bädecker\IN{\baedeker}, Bauch\IN{\bauch}, J[onas] Cohn\IN{\rjcohn}, Frege\IN{\frege}, Haussner\IN{\rjhaussner}, Heffter\IN{\hefter}, Himstedt\IN{\himstedt}, Nohl\IN{\rjnohl}, Rickert\IN{\rickert}, Vollmer\IN{\vollmer}, M[ax] Wien\IN{\rjwien}. Meine Ausbildung auf den Gebieten der Logik und Erkenntnistheorie, denen die Habilitationsschrift\IC{\konstitutionstheorie} angehört und für die ich die Vorlesungsbefugnis erbitte, verdanke ich vor allem den Herren Professoren Bauch\IN{\bauch} und Frege\IN{\frege}. Mein Studium wurde von August 1914 bis Dezember 1918 durch Heeresdienst unterbrochen und im Herbst 1919 in Jena durch die Oberlehrerprüfung in Mathematik, Physik und philosophische Propädeutik für Oberstufe beendet. Ich siedelte dann mit meiner Familie nach Buchenbach bei Freiburg i.B. über und widmete mich der wissenschaftlichen Arbeit, vor allem auf dem Gebiet der Philosophie der exakten Wissenschaften. Im Februar 1921 promovierte ich an der Universität Jena\II{\unijena} in Philosophie.} \grussformel{Rudolf Carnap e.\,h. \neueseite{}} \briefanhang{Abschrift \uline{PROGRAMM der VORLESUNGEN.} \blockade{Formatierung beachten} \uline{1. Logik.} Einführung in die Logistik (symbolische Logik). (2 Stunden) Relationstheorie, als Fortführung der Logistik. (2 Stunden). Die logischen Grundlagen der Mathematik, I: Mengenlehre, Arithmetik, Analyse. (3 Stunden). Vergleichende Wissenschaftslehre. (3 Stunden) \uline{Erkenntnistheorie.} Elementare Einführung in die Erkenntnistheorie. (2 Stunden) System der Erkenntnistheorie. (3 Stunden) Übersicht über die gegenwärtigen Richtungen der Erkenntnistheorie. (3 Stunden) Übersicht über die gegenwärtigen Richtungen der Erkenntnistheorie (2 Stunden) Zu jeder Vorlesung sind parallelgehende \uline{Übungen} (je 2 Stunden) beabsichtigt.} \grussformel{Rudolf Carnap e.\,h.} \ebericht{Brief, msl., 2 Seiten, Anhang 2 SeitenPersonalakte Carnap; Briefkopf: masl. \original{Buchenbach i.B., den 3.\,Dez.\,1925 \,/\, An das Dekanat der Philosophischen Fakultät \,/\, der Universität Wien}.}