Rudolf Carnap an Dekanat der Philosophischen Fakultät Wien, 3. Dezember 1925
Dezember 1925
Gesuch um Erteilung der Lehrbefugnis für Logik und Erkenntnistheorie
Ich bitte um Erteilung der Lehrbefugnis innerhalb des Faches der Philosophie für die Teilgebiete der Logik und Erkenntnistheorie. Als HabilitationsschriftB1928@Der logische Aufbau der Welt, Berlin-Schlachtensee, 1928 reiche ich die Abhandlung ein: „Konstitutionstheorie der Erkenntnisgegenstände. Logische Untersuchungen zu einem System der Begriffe“.B1928@Der logische Aufbau der Welt, Berlin-Schlachtensee, 1928 Ich bitte um Erlaubnis, die Arbeit als Manuskript vorlegen zu dürfen. Den ersten Teil der Schrift übersende ich gleichzeitig[‚] der zweite folgt in einigen Wochen. Bestimmungsgemäß übersende ich zwei Exemplare der Schrift.
Als weitere wissenschaftliche Arbeiten lege ich vor
(1-4 in Sonderdrucken, 5 im Manuskript): Formatierung der folgenden Punkte!
1). „Der Raum. Ein Beitrag zur Wissenschaftslehre“B1922@Der Raum. Ein Beitrag zur Wissenschaftslehre, Berlin, 1922. Dissertation für die Promotion an der Philosophische Fakultät der Universität Jena, 1921. Auch erschienen als Ergänzungsheft 56 der KantstudienIKant-Studien, Zeitschrift, 1922.
2.). „Über die Aufgabe der Physik und die Anwendung des Grundsatzes der Einfachstheit“B„Über die Aufgabe der Physik“. KantstudienIKant-Studien, Zeitschrift XXVIII, 1923.
3). „Dreidimensionalität des Raumes und Kausalität. Eine Untersuchung über den logischen Zusammenhang zweier Fiktionen“B1924@„Dreidimensionalität des Raumes und Kausalität. Eine Untersuchung über den logischen Zusammenhang zweier Fiktionen“, Annalen der Philosophie und Philosophischen Kritik 4 (3), 1924, 105–130. Annalen der PhilosophieIAnnalen der Philosophie, Zeitschrift IV, 1924. 🕮
4). „Über die Abhängigkeit der Eigenschaften des Raumes von denen der Zeit“B1925@„Über die Abhängigkeit der Eigenschaften des Raumes von denen der Zeit“, Kant-Studien 30, 1925, 331–345. KantstudienIKant-Studien, Zeitschrift XXX, 1925.
5). „Topologie der Raum-Zeit-Welt.B1923@„Topologie der Raum-Zeit-Welt“ (K-Z-System) (RC 81-02 u. UCLA 05 – CM 21, CM22), 1923/24 Axiomatisch dargestellt mit den Mitteln der symbolischen Relationstheorie“. 1. Teil
Das Doktordiplom, die Darstellung des Lebenslaufes und das Programm der beabsichtigten Vorlesungen füge ich bei.
Bestimmungsgemäß verpflichte ich mich, meinen Wohnsitz nach Wien zu verlegen, wenn mir die Lehrbefugnis erteilt wird.
Die Einreichung des Gesuches erfolgt im Einverständnis mit Herrn Prof. Schlick.
Abschrift
Lebenslauf.
Ich bin am 18. Mai 1891 zu Ronsdorf bei Bremen geboren; meine Eltern waren der Bandfabrikant Johannes CarnapPCarnap, Johannes Sebulon, 1826–1898, dt. Bandfabrikant, Vater von Rudolf Carnap und seine Frau Anna CarnapPCarnap, Anna, 1852-1924, Tochter von Friedrich Wilhelm Dörpfeld, heiratete 1887 Johannes Sebulon Carnap, Mutter von Rudolf Carnap und Agnes Kaufmann, geb. Dörpfeld, die Verfasserin der Biographie des Pädagogen Fr[iedrich] W[ilhelm] DörpfeldPDörpfeld, Friedrich Wilhelm, 1824-1893, dt. Pädagoge, Vater von Anna Carnap.
Ich habe eine Volksschule in Bremen und die Gymnasien in Barmen und Jena besucht und an dem letzterenaOriginal letztenren 1910 die Reifeprüfung abgelegt. Danach habe ich an den Universitäten JenaIUniversität Jena und FreiburgIUniversität Freiburg Physik, Mathematik, Philosophie und Psychologie studiert. Meine Lehrer waren hauptsächlich die Herren Professor AuerbachPAuerbach, Felix, 1856-1933, dt. Physiker, Prof. in Jena, BädeckerPBaedeker, Karl Wilhelm, 1877-1914, dt. Physiker, Prof. in Jena, BauchPBauch, Bruno, 1877–1942, dt. Philosoph, Prof. in Jena, J[onas] CohnPCohn, Jonas, 1869–1947, dt.-brit. Philosoph, FregePFrege, Gottlob, 1848–1925, dt. Mathematiker und Philosoph, HaussnerPHaussner, Robert, 1863-1948, dt. Mathematiker, Prof. in Jena, HeffterPHeffter, Lothar, 1862–1962, dt. Mathematiker, Prof. in Freiburg, HimstedtPHimstedt, Franz, 1852-1933, dt. Physiker, Prof. in Freiburg, NohlPNohl, Herman, 1879–1960, dt. Philosoph, bis 1919 Privatdoz. In Jena, danach Prof. in Göttingen, RickertPRickert, Heinrich, 1863–1936, dt. Philosoph, bis 1915 Prof. in Freiburg, danach in Heidelberg, VollmerPVollmer, Karl, 1877-1918, dt. Physiker, Prof. in Jena, M[ax] WienPWien, Max, 1866-1938, dt. Physiker, Prof. in Jena. Meine Ausbildung auf den Gebieten der Logik und Erkenntnistheorie, denen die HabilitationsschriftB1928@Der logische Aufbau der Welt, Berlin-Schlachtensee, 1928 angehört und für die ich die Vorlesungsbefugnis erbitte, verdanke ich vor allem den Herren Professoren BauchPBauch, Bruno, 1877–1942, dt. Philosoph, Prof. in Jena und FregePFrege, Gottlob, 1848–1925, dt. Mathematiker und Philosoph. Mein Studium wurde von August 1914 bis Dezember 1918 durch Heeresdienst unterbrochen und im Herbst 1919 in Jena durch die Oberlehrerprüfung in Mathematik, Physik und philosophische Propädeutik für Oberstufe beendet. Ich siedelte dann mit meiner Familie nach Buchenbach bei Freiburg i.B. über und widmete mich der wissenschaftlichen Arbeit, vor allem auf dem Gebiet der Philosophie der exakten Wissenschaften. Im Februar 1921 promovierte ich an der Universität JenaIUniversität Jena in Philosophie.
Rudolf Carnap e. h. 🕮
Abschrift
PROGRAMM der VORLESUNGEN.
Formatierung beachten
1. Logik. Einführung in die Logistik (symbolische Logik). (2 Stunden)
Relationstheorie, als Fortführung der Logistik. (2 Stunden).
Die logischen Grundlagen der Mathematik, I: Mengenlehre, Arithmetik, Analyse. (3 Stunden).
Vergleichende Wissenschaftslehre. (3 Stunden)
Erkenntnistheorie.
Elementare Einführung in die Erkenntnistheorie. (2 Stunden)
System der Erkenntnistheorie. (3 Stunden)
Übersicht über die gegenwärtigen Richtungen der Erkenntnistheorie. (3 Stunden)
Übersicht über die gegenwärtigen Richtungen der Erkenntnistheorie (2 Stunden)
Zu jeder Vorlesung sind parallelgehende Übungen (je 2 Stunden) beabsichtigt.
Rudolf Carnap e. h.
Brief, msl., 2 Seiten, Anhang 2 SeitenPersonalakte Carnap; Briefkopf: masl. Buchenbach i.B., den 3. Dez. 1925  /  An das Dekanat der Philosophischen Fakultät  /  der Universität Wien.