Rudolf Carnap an Jonas Cohn, 26. September 1925 September 1925

Darf ich mir wohl erlauben, mich vertrauensvoll mit der Bitte um einen Rat an Sie zu wenden? Ich hörte, daß jetzt die Zahl der Philosophiedozenten um zwei verringert sei, und möchte gern wissen, ob vielleicht daraufhin eine Habilitation in den Bereich der Möglichkeit gerückt ist. Vor einem Jahr habe ich Herrn Prof. HusserlPHusserl, Edmund, 1859–1938, dt. Philosoph einmal darum gefragt, worauf er antwortete, daß er mir einstweilen kaum Hoffnung machen dürfe, da einer seiner Schüler die Habilitation vorhabe und dann vorläufig die wünschenswerte Zahl der Dozenten voll sei. Danach werden Sie verstehen, daß ich nicht gern nochmal mich mit einer Frage 🕮 an ihn wenden möchte. Ich wäre Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie mir ganz im Vertrauen Ihre persönliche Meinung über die Möglichkeiten (selbstverständlich ohne jede auch nur moralische Verbindlichkeit) sagen und einen Rat geben würden.

Ich habe inzwischen von einer anderen UniversitätI ohne mein Zutun eine Aufforderung zur Habilitation erhalten, der ich aber nach persönlicher Einsichtnahme in die dortigen Verhältnisse nicht gefolgt bin. An einer andern UniversitätI hat man mir Hoffnung gemacht und mir vorgeschlagen, im Laufe dieses Winters eine Hab.schriftB1928@Der logische Aufbau der Welt, Berlin-Schlachtensee, 1928 einzureichen. Dort glaube ich auch, günstige Wirkungsbedingungen finden zu können. Trotzdem würde ich FreiburgIUniversität Freiburg vorziehen, wenn sich hier die Möglichkeit ergäbe.

Falls Sie glauben, mir über die augenblicklichen Verhältnisse hier etwas sagen zu können, so bin ich bereit, Sie aufzusuchen. Montag vorm. bin ich in Freiburg und könnte zu Ihnen kommen, falls ich Sonntag früh Ihre Antwort erhalte. Doch ist mir auch jeder spätere Tag recht. (Montag kann ich zu jeder Stunde von 9 Uhr ab kommen; an anderen Tagen am besten um 12 Uhr oder nachm.)

Mit ergebendstem Gruß