\brief{Rudolf Carnap an Wilhelm Flitner, 10. März 1925}{März 1925} %Buchenbach i.B., den 10. März 1925. \anrede{Lieber Flitner!} \haupttext{Dir und Lisi\IN{\rjlisi} Dank für Brief, Abrechnung und Geldzusendung. Die Rückgabe des Geldes hätte aber nicht gerade jetzt zu sein brauchen, wo Eure wirtschaftliche Lage noch so unsicher ist. Rohs\IN{\rohhilde} \IN{\rohfranz} erzählten von dem Plan, die Schule aufzugeben; besteht der noch? und auf welche Weise würde das zu ermöglichen sein? Ich war im Januar ein paar Wochen in Wien wegen der beabsichtigten Habilitation bei Schlick\IN{\schlick} dort, habe mich mit den Leuten bekannt gemacht, zwei Vorträge\IC{} gehalten und einen günstigen Eindruck bekommen. Ich bin jetzt damit beschäftigt, Prolegomena zu einer Konstitutionstheorie\IC{\konstitutionstheorie} zu schreiben, also über die erkenntnistheoretischen Probleme, die ich in Gries mit Dir besprach. Das soll die Hab.-Schrift\IC{\konstitutionstheorie} werden. Ich will sehen, sie bis zum Beginn des S.-S. fertig zu bekommen und sie dann einzureichen. Die Hab. wird aber wohl doch nicht mehr im S.-S. sein können; ich vermute, etwa Nov., vorausgesetzt, daß alles klappt. Bis dann die Bestätigung vom Ministerium kommt und ich lesen kann, wirds mindestens Januar 1926, vielleicht auch Ostern. Von Wien aus bin ich nach St. Moritz gefahren und hab dort Elisabeth\IN{\elisabeth} getroffen. Das war eine schöne Zeit in Sonne und Schnee. Wir sind nur 2 \textonehalf{} Wochen geblieben und haben dann noch Roh\IN{\rohfranz} in Glaris bei Davos und Garthe\IN{\rjgarthe} in Arosa je für ein paar Tage besucht. Roh\IN{\rohfranz} ist von dem Kunsthistoriker, Kommunisten und reichen Mann namens Giedion\IN{\giedion} dorthin eingeladen. Die Frauen sind zuhause geblieben, und die beiden führen da eine schöne Männerwirtschaft mit eigener Küche (außer Mittags); Roh\IN{\rohfranz} schreibt Kunstgesch[ichte], der andre dichtet ein Drama. Die Kinder\IN{\annemarie} \IN{\hanneliese} \IN{\johannes} waren während unsrer Abwesenheit eine Zeitlang mit Hanne Richter\IN{\richterhanne} oben in Hinterzarten. H[anne] R[ichter]\IN{\richterhanne} war jetzt zwei Monate hier, sie hatte die Erholung körperlich und seelisch sehr nötig, morgen reist sie wieder ab. Wann wolltest Du Deine Osterreise machen? Könntest du nicht hierher kommen? wir haben vom 10.-14.\,Apr. Verwandte hier, also gerade in den Feiertagen, die Du vielleicht auch zuhause zubringen willst. In der übrigen Zeit bist Du uns herzlich willkommen. Ich würde mich sehr freuen, wieder mal eine Zeit mit Dir zusammensein zu können. Sehr in der Arbeit stecken werde ich freilich wohl im April, aber das schadet ja nicht, vielleicht willst Du auch etwas schreiben in den Ferien. Schreib bitte mal bald Genaueres über die Zeit. Wenn Du nicht herkommen kannst, sehen wir uns wohl in Jena mal. Ich komme vielleicht im Mai hin, möglicherweise auch vorher schon, es ist noch unbestimmt. Ist Freyer\IN{\freyer} schon in Leipzig? Wahrscheinlich kommt Reichenbach\IN{\reichenbach} an seine Stelle nach Kiel. Heimann\IN{\heimann} hat kürzlich einen Ruf als Ord[inarius] nach Hamburg bekommen, hörte ich. Mit vielen herzlichen Grüßen von Haus zu Haus} \grussformel{Dein\\ Carnap} \ebericht{Brief, msl., 1 Seite, WF; Briefkopf: msl. \original{Buchenbach i.\,B., den 10.\,März 1925}.}