Rudolf Carnap an Wilhelm Flitner, 23. Februar 1923 Februar 1923

Mein Lieber‚

wir fahren also wirklich nach Mexico, das wirst Du schon erfahren haben. Und der kl[eine] JohannesPCarnap, Johannes, 1922–2012, auch Brüderle, Pfarrer, Sohn von Rudolf und Elisabeth Carnap geht auch mit. Zu den beiden anderen kommt die GroßmutterPCarnap, Anna, 1852-1924, Tochter von Friedrich Wilhelm Dörpfeld, heiratete 1887 Johannes Sebulon Carnap, Mutter von Rudolf Carnap und Agnes Kaufmann den Sommer über. Es wird sehr viel Interessantes zu sehen u. zu erleben geben. Kannst Du trotzdem verstehen, daß mir der Abschied von meiner Arbeit nicht ganz leicht wird. Zwar nehme ich mir auch etwas zu tun mit, mache mir aber nicht viel Illussion, als käme ich viel dazu. Aber die Unterbrechung ist vielleicht gerade mal sehr gut. Vor der Abreise kommt übrigens noch ein besonderer Höhepunkt intensiver wissensch[aftlicher] Beschäftigung, auf den ich mich sehr freue: vom 5.-14. III 2 Tagungen in der Akademie der Kunstges[ellschaft] in Erlangen.I5.-14.III.1923 2 Tagungen in der Akademie der Kunstges[ellschaft] in Erlangen. Wenn beide Tagungen gemeint sind. Es sind aber beide reine „Fach“-Sachen, darum habe ich keinen Freund miteingeladen, sondern nur Fachgenossen. „Fach“ nicht Philosophie, sondern mein dir bekanntes eigentl[iches] Gebiet, das zwar jetzt noch in dem Sammelkasten „Philosophie“ enthalten ist, aber sich doch wohl mal selbständig machen wird: Ich will dir mal die Rundschreiben beilegen, damit du siehst, was wir machen; bitte gelegentlich zurückschicken!

Den ganzen Sommer sehn wir uns also nicht. Im Aug. oder Sept. kommen wir zurück. Ich würd mich sehr freuen, wenn ich Dich vor der Reise nochmals sehen könnte. Aber meine Zeit wird dann sehr knapp bemessen sein. Es ist noch unbestimmt, ob wir Ende März oder Anfang April abfahren. Im ersteren Falle müßte ich von Erlangen ziemlich eilig wieder 🕮 herkommen. Für Jena wirds auch im 2. Fall nicht langen. Ob wir uns an einem Zwischenort für 1/2 od. 1 Tag treffen könnten? Wenns nicht möglich ist, müßten wir uns eben doch auf den Herbst vertrösten. Vielleicht kannst Du, wenn Du eine Zus[anmmen]kunft der Freunde anregst, sie auf den Herbst verlegen. Falls irgendso etwas in Aussicht steht, schreib mir. Ich würde Dir dann von drüben schreiben, sobald die Zeit unsrer Rückkehr festliegt.

Nach vergebl[ichem] Suchen bei HannePKüstermann, Hanne, 1899–1998, geb. Richter, Buchbinderin, ging 1927 nach Guatemala und heiratete dort Hans Arnold Küstermann u. RäuberPRäuber, Erwin, 1879-1952, genannt Räuberdoktor, Gymnasiallehrer in Naumburg, Verbindung zum Serakreis, WV, verh. mit Hedwig Räuber vermute ich mein Buch: Luserke „Shakespeareaufführungen als Bewegungsspiele“BLuserke!Shakespeareaufführungen als Bewegungsspiele bei Dir oder RohPRoh, Franz, 1890–1965, dt. Kunstkritiker, verh. mit Hilde Roh. Solltest Du es haben, so schick es mir bitte umgehend als Drucksache zu, da ich es für einen Bekannten eilig brauche. Hast Du es nicht, weißst aber, wo es ist, so schreibs mir bitte gleich, oder gib meine Bitte gleich durch eine Karte an den Entleiher weiter.

Für Euer aller gesundheitliches Wohlergehen wünschen wir sehr herzlich das Beste. Besonders wünsche ich, daß Du für Deine pädagogischen Ideen (im weitesten Sinne) Zeit u. Kräfte finden möchtest.

Dir u. den Deinen herzlichen Gruß

Dein
R.C.

Auf meine Veranlassung wird Dir inzwischen eine Probenummer der „Menschheit“I zugegangen sein (der pazif[istischen] Wochenschrift, an der FoersterPFoerster, Friedrich Wilhelm, 1869–1966, dt. Schriftsteller und Pazifist mitmacht). Ich möchte Dir gern einen Jahresbezug darauf zustellen lassen, wenn ich wüßte, ob Du sie dann auch lesen würdest. Bitte schreib mir das.

Brief, hsl., 2 Seiten, WF; Briefkopf: hsl. Wiesneck, 23. 2. 23darunter Bleistift: 15. III. 23.


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