Rudolf Carnap an Wilhelm und Elisabeth Flitner, 4. Oktober 1922 Oktober 1922

Mein lieber Flitner, u. liebe Lisi!

Wir waren überrascht, schon die Freudennachricht zu erhalten, u. hoffen sehr, daß es auch wirklich lauter Freude ist, u. LisiPFlitner, Elisabeth, 1894–1988, geb. Czapski, Lisi genannt, dt. Nationalökonomin, heiratete 1917 Wilhelm Flitner die Geburt gut überstanden hat. Gebt Ihr mal ganz kurz auf einer Karte Nachricht! Und nun unsre beiden gleichaltrigen Jungen, die sollen doch Freude aneinander haben! Die Erziehung des unsrigen wird zwar nicht leicht sein, wenn er sich nach des Seravaters Wunsch richtet: „Höre nicht auf die Eltern, sondern tu alles, wie es Dir paßt. Denn Du bist die junge Generation. Und alle Eltern sind rückständig.“ Werden wir eine Ausnahme bilden? Gebe der Himmel, daß Herman AndreasPFlitner, Andreas, 1922–2016, dt. Pädagoge, Sohn von Wilhelm und Elisabeth Flitner und JohannesPCarnap, Johannes, 1922–2012, auch Brüderle, Pfarrer, Sohn von Rudolf und Elisabeth Carnap keinen Grund finden werden, uns gerade diesen Vorwurf zu machen. Wir wollen uns Mühe dazu geben.

ElisabethPCarnap, Elisabeth, 1895–1987, auch Cha oder Chacha, Grafologin, Tochter von Luisa und Heinrich Schöndube, von 1917 bis 1929 verh. mit Rudolf Carnap gehts im allg. gut, u. sie war schon oft unten, machte auch schon Spaziergänge. Nun liegt sie mit einer unbedeutenden Magenstörung, u. wird daher erst später mal selbst schreiben. Das Päckchen hatte sie schon vorher fertig. Nun halte ichs zurück, um noch diesen Glückwunsch hineinzulegen.

Nehmt unsre besten Wünsche an, zunächst für das gesundheitliche Wohlergehen von Mutter u. Kind, dann für die weitre Entwicklung des Knaben, u. auch für Euer schwieriges Leben im Winter, zumal auch für Dein neues Amt, (Kann man mal einen Durchschlag Deiner Arbeit zu lesen bekommen? Wird sie auch veröffentlicht?).

Mit herzlichen Grüßen
Die Wiesnecker

Brief, hsl., 1 Seite, WF; Briefkopf: hsl. Wiesneck, 4. 10. 22.


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