Soeben erhalte ich Ihren frdl. Brief vom 29. m. c. und beeile mich Ihnen auf Ihre Anfrage zu antworten. Der Umstand, der Ihnen Schwierigkeiten macht, hat auch mich damals, als ich die Dinge machte, zu eingehendem Nachdenken veranlaßt. Er löste sich mir folgendermaßen: Indem ich Ihre Gedankengänge nicht wiederhole, sondern der Kürze halber gleich in meine daran anschließenden Gedankengänge eintrete, kann ich mich vielleicht so ausdrücken: Die völlige Zurückführung allen Geschehens auf das NewtonschePNewton, Issac, 1643–1727, brit. Physiker Gesetz ist natürlich ein unendlich fernes Ideal, d. h. also ein solches, das nie erreicht wird. Damit aber ist gesagt, daß in irgendeiner erreichbaren Zeit stets neben den bereits auf Newton zurückgeführten Vorgängen auch noch nicht dahin zurückgeführte bestehen müssen. Wenden wir dies auf die Corpuskulartheorie an, so ergibt sich, daß also stets noch Corpuskeln notwendig auftreten werden, die als „noch unaufgelöste Massen“ angesehen werden. Diese werden also als gewöhnliche „molare Materie“ sich verhalten, bzw. so angesehen werden müssen. Diese werden also alle die Vorgänge aufweisen können, die die gewöhnliche molare Masse aufweist. Und da, wie ich zeige, zuletzt nur „mechanische Erklärungen“ in Frage kommen, so werden für die angewandte Corpuskulartheorie nur die mechanischen Vorgänge an den Corpuskeln in Frage kommen. Letztere sind nun hauptsächlich die Vorgänge des Stoßes, die hier für uns in Betracht kommen. Darin liegt nun ein völlig ausreichendes Mittel, um die Abstoßung zu erklären. Wir sehen dies ja in der mechanischen Gastheorie. Und es wird immer möglich sein, Ausdehnungen als statistische Vorgänge solcher Art zu erklären.
Ein Entstehen und Verschwinden von Massen darf natürlich nicht in Betracht kommen. Denn dies würde völlig die Eindeutigkeit aufheben. Jede Masse muß nach rückwärts und nach vorwärts in der Zeit als eine identisch dauernd verfolgt werden können – natürlich theoretisch. Ich glaube auch schwerlich daß sich der bündige Beweis wird führen lassen, daß etwas derartiges 🕮 unumgänglich zur Darstellung der natürlichen Vorgänge nötig ist. Ihre Darlegung auf Seite 2 Ihres Briefes trifft, wie mir scheint, insoferne ganz das Richtige, daß sie zeigt, daß in endlicher Zeit mit der bloßen Gravitation inexpliziter Weise allein nicht alles dargestellt werden kann. ** Hsl. Siehe hiezu meine „Grundlagen der Physik” Aber wie dem aufgrund meiner Annahmen dennoch abgeholfen werden kann, habe ich ja eingangs meines Briefes gezeigt. Das „Abschleudern der berührenden T[eilchen] 2. St[ufe]“ wird eben durch die an den molaren Teilchen 1. St[ufe] auftretenden elastischen Kräfte zu erklären sein, wenn ich in Ihrem Beispiele bleibe. Sie haben insoferne also Recht, als innerhalb endlicher Zeit die elastischen Kräfte als irreduzibel auftreten. Aber tatsächlich werden sie dabei immer mehr in das Feine hineinverlegt, und im Ideal zuletzt doch auf Gravitation zurückgeführt. Denn wenn Sie sich vorstellen, daß ein Corpuskel einer korpuskularen Sonne sehr nahe kommt, dann wird sie in scharfem Winkel abgelenkt, und verhält sich als ob sie von der Sonne zurückgestoßen worden wäre nach den Stoßgesetzen. Auf diese Weise könnte man sich vorstellen, daß ein Schwarm von Corpuskeln von einem anderen geschlossenen Schwarm solcher ohne jede Berührung ab- und zurückgestoßen würde, wenn nur die zurückflutenden Teilchen zahlreich genug sind, um beim Zurückfluten durch ihre Gravitationswirkung die übrigen vom weiteren Vordringen abzuhalten und zum Zurückgehen zu bringen.
Nun würde es mich interessieren, ob wir in dem Gesagten uns verstehen. Für heute jedenfalls möchten ich nichts weiteres hinzufügen. Auf Ihren Brief werde ich sehr gerne eingehen, nur glaube ich, wird es gut sein, sich auf ein bestimmtes Thema zu beschränken, da sonst keine Grenze anzusehen ist. Da schon scheint mir doch Ihre These von der Möglichkeit der Relativitätstheorie auch auf meinen Grundlagen am geeignetsten, und auch sehr aktuell. Ich glaube, wir hatten ursprünglich auch dieses Thema für unseren Briefwechsel ins Auge gefaßt. Wenn Sie nicht von der ZeitungIMünchner Neueste Nachrichten Exemplare Ihrer RezensionB1921@„Wer erzwingt die Geltung eines Naturgesetzes?“, Münchner Neueste Nachrichten 74(310), 26.VII.1921 bekommen, kann ich Ihnen gerne eines zusenden. Für heute lassen sie mich schließen, und mit herzlichen Grüßen verbleiben