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Sehr verehrter Herr Professor!
Da ich die Rezension
Ich bin jetzt dabei, anstelle meines Briefes vom 19. V. einen andern zu schreiben, der sich besser für die Veröffentlichung eignet. Er wird ausführlicher als jener, stellt auch die gemeinsame Grundlage unsrer Standpunkte deutlicher dar und verwertet vor allem schon das mit, was mir in unsern Münchener Gesprächen klar geworden oder durch diese angeregt worden ist. Dabei bin ich aber auf einen Punkt gestoßen, der mir Schwierigkeiten macht. Das ist der Anlaß meines heutigen Schreibens. Vielleicht glückt es Ihnen, durch einige kurze Bemerkungen mir aus der Schwierigkeit zu helfen.
Mir sind nämlich Bedenken gegen einen Punkt der reinen Synthese gekommen, nämlich gegen die Aufstellung eines Anziehungsgesetzes als einzigen Wirkungsgesetzes. Es scheint mir, (ohne daß ich das schon fest behaupten könnte), als müsse man entweder dem Newtonschen
Mein Bedenken gründet sich auf folgenden Gedankengang. Es ist zwar (und das ist allerdings grundsätzlich die Hauptsache) sicher möglich, „die vorgegebenen Bewegungen einer endlichen Zahl von Körpern nach dem Newtonschen Gesetz zu erklären“ (Phys[ik] u. Hyp[othese]
Es müßte also die Ausdehnung eines zusammengedrückten Körpers anders erklärt werden, als durch Teilchen konstanter Masse. Und da die Teilchen an der Oberfläche sich von den andern fort bewegen, so sehe ich keine andre Möglichkeit, als außerhalb des zusammengedrückten Körpers (wenn auch vielleicht noch innerhalb seines ursprünglichen Volumens) eine (unsichtbare) Masse anzusetzen, die sich je nach der Zusammendrückung ändert, bei Erwärmung vermehrt usw. Daß die Massen der sichtbaren Körper konstant sind, könnte man wohl aufstellen und durchführen; die Konstant der unsichtbaren Massen hernach aber nicht. Dann aber muß, so scheint mir, außer dem Anziehungsgesetz noch ein andres Axiom aufgestellt werden, das die Veränderung dieser Massen als Funktion der Lagerung des Systems angibt.
(Ein zweites, nicht so wichtiges Bedenken erhebt sich bei der Betrachtung einer sich nach allen Seiten gleichmäßig ausdehnenden Kugel, z. B. nach elastischer Zusammendrückung oder bei Erwärmung. Diese kann nicht durch außen herumgelagerte Massen von kugelsymmetrischer Verteilung erklärt werden, da deren Potential im Innern konstant, also das Feld Null sein würde. Eine annähernd gleichmäßige Ausdehnung der Kugel ließe sich vielleicht mit Hilfe von diskontinuierlichen,
Falls Sie in der Lage sind, mir vor allem das erste Bedenken durch ein paar kurze Bemerkungen zu zerstreuen, so wäre ich für Mitteilung sehr dankbar. Ich werde dann bald in der Lage sein, Ihnen den verabredeten ausführlicheren Brief zuzusenden. Läßt es sich dagegen nicht so ganz einfach lösen, so können wir es ja ausführlicherer Erörterung zu gelegener Zeit vorbehalten, und diesen Punkt einstweilen aus jenem Brief ausschalten.
Mit den ergebensten Grüßen bin ich
Ihr
Rudolf Carnap
Auch jetzt bleiben ja noch zahlreiche Schriften, für die ich Ihnen zu großem Dank verpflichtet bin. Dürfte ich auch vielleicht noch um „Der starre Körper“
Brief, msl., 4 Seiten, HD (RC 115-04-10, Dsl. RC 028-12-08); Briefkopf: gestempelt Rudolf Carnap  /  Buchenbach-Baden, msl. den 29. Juli 1921.