\brief{Rudolf Carnap an Wilhelm Flitner, 17. Oktober 1920}{Oktober 1920} \anrede{Lieber Flitner!} \haupttext{Schnell einige kurze Grüße, u. Dank f. Euren Brief, d.\,h. Lisi\IN{\rjlisi}, von Dir hören wir hoffentl[ich] auch bald, wenn die Arbeit endl[ich] mal recht läuft. \fnAmargin{Eiweißmilch u. Windeln werden von Rapp geschickt. Brauchst Du bald wieder Zwieback?} Die Frage mit den Geldbedenken ist ja inzwischen erledigt, da Papa\IN{\schoendubeheinrich} uns Geld zur Verfügung gestellt hat ,,für Leute, dies nötig haben``. Ich habe 2000,- auf Deine Bank überweisen lassen, benutze es möglichst noch in diesem Jahr zu Anschaffungen, die Preise scheinen ja doch wohl wieder zu steigen. Über Fritz\IN{\baussnernfritz} Näheres zu hören, wäre mir sehr lieb, auch um zu sehn, wie man ihm helfen kann. Falls er mal nach J[ena] kommt, solltest Du doch eine Aussprache mit ihm suchen. Auch wenn er sie nicht sucht. Den Plan von Sao Paulo sollte man reiflich überlegen, d.\,h. nicht ohne weiteres von sich weisen. Für 1-2 Jahre hinüberzugehen, wäre vielleicht nicht schlecht. Dabei viell[eicht] auch die sonst seltene Gelegenheit, Westeuropa zu besuchen. Mit Albrecht\IN{\albrecht} war ich ein paar Tage auf den Allgäuer Bergen, sehr schönes Wetter, herrliches Gebirge. Nicht in München. Hatte dann E[lisabeth]\IN{\elisabeth} samt dem Schwesterle\IN{\hanneliese} in Gaienhofen da, wohin sie z[um] 20jähri[en] Bestehen d[er] Schule gereist waren. -- Mutter\IN{\rjcarnapmutter} schickt uns die Abschrift eines Briefes \neueseite{} von Änne Trüper\IN{\trueperaenne}, worin sie sehr anschaulich u. packend von Mucks\IN{\muckerfurt} ,,Neuer Schar`` u. seiner Wirkung in Erfurt berichtet. Falls es Euch interessiert, holt sie Euch bei ihr. Aber viell[eicht] habt Ihr schon Näheres über ihn von Jenaern gehört. In J[ena] soll Heinz Müller\IN{\muellerheinz} Führer der Gemeinde sein. -- Von Fränzels\IN{\rjfraenzel} Familien- u. Hausleben würde ich gerne hören. -- Margret\IN{\rjmargret} bittet, die 200,- für sie auf mein Postsch[eckkonto] (Karls. 22050) zu überweisen; dann rechne ich sie mit ihr ab. -- Käthe\IN{\rjkaethe} ist mit Kurt Walter\IN{\walter} zum Bodensee. Nachts hörte ich das Töchterle\IN{\annemarie}. Der ganzen Fam[ilie] gehts gut. Annes\IN{\flitneranne} Erkältung hat sich hoffentl[ich] gebessert u. nicht in richtige Grippe verwandelt! Herzliche Grüße von Haus zu Haus,} \grussformel{Dein\\ R.C.} \anrede{\textkritikl Ach Lisi\IN{\rjlisi}!} \haupttext{Ich käme so gern zu einem \uline{langen} Brief an Dich! In vielem lebe ich in Gedanken so mit Euch. Die Kinder nehmen mich jetzt von morgens 8 bis abends 7 in Anspruch, außerdem noch letzte Herbstarbeiten, neben denen das Töchterle\IN{\annemarie} so nett spielt. Ich kann mich kaum satt sehen und hören an ihr und bin sehr glücklich mit den beiden Menschlein. Ruth\IN{\ruth} bringt das Abendessen u. nachher wollen R[uth]\IN{\ruth} u. ich Englisch zusammen treiben. Das macht großen Spaß. Vorläufig ein Buch über Ernährungsfragen, das Papa geschickt hat. Von Herzen} \grussformel{Eure\\ Elisabeth} \briefanhang{Töchterle\IN{\annemarie} liegt tagsüber in Annes\IN{\flitneranne} Bett auf d[er] Veranda, weil wir so herrliche Herbstsonne haben. Sie denkt dann jedes mal an sie und sagt fragend ,,Anna``? ,,dada``?\textkritikr\fnA{Hsl. Zusatz Elisabeth Carnap. ???}} \ebericht{Brief, hsl., 2 Seiten, WF; Briefkopf: hsl. \original{Wiesneck, 17.\,10. 20}.}