Der folgende Beweis stammt aus dem Buch von Resnik [S. 186ff.]resnik:1987. Der Beweis wird ebenfalls so geführt, dass gezeigt wird, dass dann, wenn die drei letzten Bedingungen erfüllt sind, die erste Bedingung nicht mehr erfüllt werden kann. Damit ist gezeigt, dass es keine Abbildungsfunktion gibt, die alle aufgelisteten Bedingungen erfüllen kann. Anders als beim vorhergehenden Beweis wird diesmal aber nicht zuerst gezeigt, dass es eine Teilmenge von Individuen gibt, die beinahe entscheidend für alle Alternativen ist und dann, dass sie tatsächlich nur aus einem Individuum besteht. Sondern es wird zuerst gezeigt, dass es ein Individuum gibt, dass für eine Alternative beinahe entscheidend ist, und dann, dass daraus folgt, dass diese Individuum für alle Alternativen nicht nur beinahe sondern vollständig entscheidend ist. Die einzelnen Beweisschritte sind aber zum Teil ähnlich wie beim ersten Beweis, so dass die Lektüre des zweiten Beweises gut zur Übung und zum besseren Verständnis dienen kann.
Zunächst wird folgendes Lemma bewiesen:
Lemma 1: Es existiert immer ein Individuum, das für irgendein Paar von Alternativen beinahe entscheidend ist.
Beweis: Wie oben angemerkt existieren „entscheidende“ Mengen für jedes Paar von Alternativen. Da jede „entscheidende“ Menge immer auch „beinahe entscheidend“ ist, existieren für jedes Paar von Alternativen auch beinahe „entscheidende“ Mengen.
Wir setzten voraus, dass die Menge der Individuen und Alternativen endlich ist. Dann existiert wenigstens eine „beinahe entscheidende“ Menge (bezüglich irgend eines Paares von Alternativen), die keine echte Teilmenge enthält, die „beinahe entscheidende“ Menge (bezüglich irgend eines beliebigen Paares von Alternativen) wäre, denn: Man beginne mit irgend einer beliegigen „beinahe entscheidenden“ Menge. Hat diese Menge noch (nicht-leere) Teilmengen, die „beinahe entscheidende“ Mengen (bezüglich irgendeiner Alternative) sind, dann wähle man irgend eine dieser „beinahe entscheidenden“ Teilmengen und stelle für diese Teilmenge dieselbe Untersuchung an, solange bis man bei einer Menge angekommen ist, die keine echten Teilmengen mehr enthält, die ihrerseits „beinahe entscheidende“ Mengen irgendeines Paares von Alternativen sind.
Wir verfügen damit über eine „minimale Menge“, die „beinahe entscheidend“ bezüglich eines bestimmten Paares von Alternativen ist. Wenn wir zeigen können, dass diese „minimale Menge“ nur noch ein einziges Individuum enthält, dann haben wir das Lemma bewiesen. Dazu kann ein Widerspruchsbeweis geführt werden. Wir nehmen also an, es gäbe eine entsprechende „minimale beinahe entscheidende Menge“, die mehrere Individuen enthält und zeigen, dass diese Annahme zu einem Widerspruch führt.
Angenommen also, \(M\) sei eine „minimale beinahe entscheidende Menge“ für die Alternative \(x\) über \(y\), die mehrere Individuen enthält. Man betrachte ein beliebiges Individuum \(J\) aus der Menge \(M\). Da die Menge \(M\) mehr Individuen als nur \(J\) enthält, und da möglicherweise noch ein „Rest“ von Individuen existiert, die nicht zu \(M\) gehören, kann man folgende drei unterschiedlichen Gruppierungen betrachten: 1) Die Menge, die nur aus dem Individuum \(J\) besteht. 2) Die Menge, die aus den Individuen von \(M\) ohne \(J\) besteht, kurz: \(M-J\). 3) Der „Rest“, d.h. alle Individuen, die nicht zu \(M\) gehören.
Da jedes beliebige Präferenzprofil zugelassen ist („unbeschränkter Bereich“) und sich die Eigenschaft eine (minimale) „beinahe entscheidende“ Menge zu sein auf alle Präferenzprofile bezieht, muss sie sich auch bei jedem beliebigen einzelnen Präferenzprofil bewähren. Man nehme an, dass es mindestens drei Güter gibt und betrachte nun folgendes Präferenzprofil:
\(J\) | \(M-J\) | Rest |
\(z\) | \(x\) | \(y\) |
\(x\) | \(y\) | \(z\) |
\(y\) | \(z\) | \(x\) |
Quelle: Resnik , S. 188
Da \(M\) eine „beinahe entscheidende“ Menge für \(x\) über \(y\) ist und in diesem Präferenzprofil für alle Mitglieder von \(M\) gilt: \(x \succ y\), und alle Nicht-Mitglieder gilt: \(y \succ x\), so muss die Wohlfahrtsfunktion diesem Präferenzprofil kollektive Präferenzen zuordnen, bei denen \(x \succ y\) gilt. Darüber hinaus muss die Wohlfahrtsfunktion natürlich auch festlegen, welche Beziehung (\(\succ \), \(\prec \) oder \(\sim \)) zwischen \(x\) und \(z\) zu gelten hat. Wir betrachten die drei Möglichkeiten im Einzelnen, und zeigen, dass jede davon zu einem Widerspruch führt. Dabei ist zu beachten, dass wir nicht ausgeschlossen haben, dass die Menge „Rest“ leer sein kann. Die folgenden Argumente funktionieren aber (wovon man sich leicht überzeugen kann) auch in dem Fall, dass die „Rest“-Gruppe leer ist.
Da alle Möglichkeiten zum Widerspruch führen, kann die Wohlfahrtsfunktion die individuellen Präferenzen nicht auf kollektive Präferenzen abbilden, sofern die minimale „beinahe entscheidende“ Menge \(M\) noch mehr als ein Individuum enthält.
Das erste Lemma scheint alleine noch nicht viel zu besagen, denn von dem Individuum, aus dem die Menge \(M\) am Ende besteht, ist zunächst nur bewiesen, dass es lediglich beinahe entscheidend ist, und auch das nur für ein Paar von Alternativen. Ein zweites Lemma zeigt aber, dass weit mehr dahinter steckt:
Lemma 2: Ein Individuum, das für irgendein Paar von Alternativen beinahe entscheidend ist, ist entscheidend für jedes Paar von Alternativen.
Beweis: Wir nehmen an, dass das Individuum \(J\) beinahe entscheidend für \(X\) über \(y\) ist. Es muss nun gezeigt werden, dass es dann auch entscheidend (und zwar nicht bloß beinahe entscheidend!) für alle Paare von Alternativen ist. Dies ist dann bewiesen, wenn wir zwei weitere Alternativen \(a\) und \(b\) in die Betrachtung einbeziehen und beweisen können, dass \(J\) in folgenden sieben Fällen entscheidend ist: 1) \(x\) über \(y\); 2) \(y\) über \(x\); 3) \(x\) über \(a\); 4) \(a\) über \(x\); 5) \(y\) über \(a\); 6) \(a\) über \(y\); 7) \(a\) über \(b\).
Da \(a\) und \(b\) beliebig wählbar sind, schließt der Beweis automatisch („ohne Beschränkung der Allgemeinheit“) alle weiteren Alternativen mit ein, die es außer \(x‚y‚a\) und \(b\) noch geben könnte. Gibt es außer \(x\) und \(y\) nur noch eine oder gar keine weiteren Alternativen, dann fallen nur einige der betrachteten Fälle weg, und der Beweis gilt trotzdem. Aus Gründen der Konvenienz werden in dem folgenden Beweis die Fälle in einer anderen Reihenfolge behandelt (vgl. [S.190/191]resnik:1987). Nun zu den Fällen im Einzelnen:
In jedem der Fälle ist \(J\) also „entscheidend“, womit das zweite Lemma bewiesen ist. Aus dem ersten und dem zweiten Lemma ergibt sich zusammengenommen der Satz von Arrow, der damit ebenfalls bewiesen ist.