Wissenschaftskritische Diskussion der Reichweite und Grenzen der formalen Entscheidungstheorie in der Philosophie Späterer Zusatz (2019). An vielen Stellen in dieser Vorelsung wurde bereits auf die Fragwürdigkeiten und Schwächen der Entscheidungstheorie hingewiesen. Diese Schwächen fallen ganz besonders dann ins Gewicht, wenn man die Entscheidungstheorie nicht als eine Hilfsmittel betrachtet wird, mit dem man Anhaltspunkte zur Lösung einer beschränkten Klasse von Entscheidungsproblemen z.B. aus dem Bereich der Betriebswirtschaft gewinnen kann, sondern als eine universale Logik des menschlichen Handelns, wie das in der analytischen Philosophie gerne getan wird. Im folgenden sollen - nach einer kleinen bösen, aber notwendigen Vorrede über die analytische Philosophie - zusammenfassend die bestehenden erheblichen Defizite der formalen Entsscheidungstheorie betrachtet werden. Ein paar warme Worte zur Zerstörung der analytischen Philosophie In der analytischen Philosophie gilt der stillschweigende Grundsatz, dass ein Thema nur dann Gegenstand legitimer philosophischer Diskussion ist, wenn die Diskussion mit formalen (mathematischen) Methoden geführt wird, oder, wie man auch sagen könnte, wenn man einen formalwissenschaftlichen Vorwand dafür findet, das Thema zu diskutieren. Unglücklicherweise sind viele der erfolgversprechendsten Ansätze zum Verständnis und zur Erklärung menschlichen Handelns überhaupt nicht formal. (Kleine Hausaufgabe für die Leserinnen und Leser: Woran könnte das liegen? Sind bloß die gegenwärtigen formalen Ansätze zur Erklärung menschlichen Verhaltens hoffnungslos unzureichend, oder gibt es da prinzipielle Grenzen?) Die analytische Philosophie ist aber auf Grund einer willentlichen und mittlerweile durch das System der analytischen Philosophie (d.h. derjenigen institutionellen und habituellen Faktoren, die für die Karriere eines Philosophen oder einer Philosophin innerhalb der analytischen Philosophie entscheidend sind) verfestigen Grundentscheidung nicht mehr in der Lage, nicht formale Theorien adäquat zu rezipieren und muss sich zwangsläufig auf diejenigen formalen Theorien menschlichen Handelns beschränken, die da sind - seien sie auch noch so erklärungsuntauglich. Und besonders die formale Entscheidungs- und Spieltheorie ist mit dem Anspruch, eine universale Theorie menschlichen Handelns zu liefern, hoffnungslos überfordert. Das Gegenargument lautet: Äber kein(e) analytische(r) Philosoph/in hat jemals diese Ansicht vertreten! Vielmehr konzentriert sie sich lediglich aus Gründen thematischer Beschränkung auf die formalen Theorien menschlichen Handelns. Damit ist keineswegs die Behauptung verbunden, das andere, nicht formale Theorien zur Erklärung menschlichen Handelns nicht geeignet sein könnten." Doch dieses Gegenargument ist erstens unehrlich, denn auch wenn niemand behauptet, man müsse sich zur Erklärung menschlichen Handelns auf formale Theorien beschränken, so verhalten sich doch fast alle analytischen Philosophen und Philosophinnen so als müsse man es tun. Sie ignorieren konsequent alle anderen Ansätze und sie würden innerhalb ihrer eigenen Horde einiges Befremden hervorrufen, wenn sie nicht formale Ansätze – und sei es auch nur vergleichsweise – einbeziehen würden. Auch ich habe das ja in dieser Vorlesung nicht getan. Mea culpa - aber das war leider mein Job. Aber wenigstens verheimliche ich Euch nicht, dass die formale Spiel- und Entscheidungstheorie Mist ist (dazu gleich mehr). Und zweitens, kann man eine Theorie – auch unter dem Vorbehalt thematischer Beschränkung – kaum sinnvoll bewerten, wenn man nicht auch mögliche Alternativen zur ihr in Betracht zieht. Thematische Beschränkung kann und darf keine Entschuldigung für mutwillige Ignoranz sein. Die Grenzen der eigenen Kräfte sind schon eher eine Entschuldigung - aber das heisst nur, dass man evtl. arbeitsteilig an die Sache herangehen muss. Die drei zentralen Schwächen der formalen Entscheidugnstheorie Aber warum taugt die Entscheidungstheorie nichts? Dafür gibt es im wesentlichen drei intrinsiche Gründe: Unrealistisch vollständig geordnete und transitive Präferenzen Partiell selbstwidersprüchlich Der Satz von Arrow angewandt auf multikriterielle Entscheidungsprobleme Keine messbaren Größen weder kardinale noch ordinale Nutzenwerte sind messbar Relevanz