A. Sozialwahltheorie

Bisher haben wir uns nur mit individuellen Entscheidungen beschäftigt. Für die Anwendung der Theorie ist es dabei weniger wichtig, ob die Akteure bzw. „Agenten“ tatsächlich einzelne Individuen sind, oder ob sie etwa Gruppen oder Körperschaften sind. Entscheidend ist, dass sie über eine ganz bestimmte Präferenzrelation verfügen, die die Bedingungen für Präferenzrelationen erfüllt, also Ordnung, Transitivität etc. (siehe Kapitel , ab Seite ). Die Sozialwahltheorie beschäftigt sich nun genau mit der Frage, wie eine Gruppe von Individuen kollektive Entscheidungen treffen kann, wenn man noch nicht von vornherein eine kollektive Präferenzrelation als gegeben betrachtet. Man könnte auch sagen, dass das Problem bzw. eines der Hauptprobleme der Sozialwahltheorie darin besteht, wie man individuelle Präferenzen auf kollektive Präferenzen abbilden kann. Um ein Problem handelt es sich insofern, als die individuellen Präferenzen einer Gruppe von Menschen höchst unterschiedlich beschaffen sein können, selbst wenn man einmal annimmt, dass jedes Mitglied der Gruppe über eine im Sinne der Theorie gültige Präferenzrelation verfügt. Wie wir sehen werden, kann es zu Schwierigkeiten kommen, wenn man daraus eine kollektive Präferenzrelation ableiten will, die immer noch die Bedingungen einer wohlgeordneten Präferenzrelation erfüllt.

Die individuellen Präferenzen sämtlicher Individuen zusammengenommen, bezeichnet man auch als „Präferenzprofil “. Ein Präferenzprofil ist also eine Menge von individuellen Präferenzrelationen. Die Abbildung des Profils von individuellen Präferenzrelationen auf eine einzelne kollektive Präferenzrelation nennt man eine „soziale Wohlfahrtsfunktion“ oder, im Zusammenhang der Entscheidungstheorie, auch ein „Kollektiventscheidungsverfahren“. Mathematisch betrachtet haben wir es dabei mit folgenden Gegenständen zu tun:

  1. Mit einer Menge \({\cal X} = \{x, y, z, …\}\) von Alternativen oder Güterbündeln, die jeweils mit kleinen Buchstaben bezeichnet werden. Die Menge aller auf \({\cal X}\) möglichen Präferenzrelationen soll mit \({\cal R}\) bezeichnet werden. (Für die definierenden Eigenschaften einer gültigen Präferenzrelation siehe .)
  2. Mit einer bestimmten Anzahl von Individuen \(A, B, C, …\), die mit Großbuchstaben vom Anfang des Alphabets bezeichnet werden. Die Individuen kann man sich durchnummeriert denken, so dass man sinnvollerweise statt von \(A\), \(B\) oder \(C\) auch vom ersten, zweiten oder dritten Individuuem oder ganz allgemein vom „\(i\)-ten Individuuem“ sprechen kann.
  3. Mit individuellen Prä­fer­enz­re­la­tion­en, wobei jedes Individuum na­tür­lich eigene Prä­fer­enz­en hat. Um anzuzeigen, wessen Präferenzen gemeint sind, kann man einen Index an das Präferenzzeichen anhängen, d.h. \(x \succ _i y\), bedeutet, dass das \(i\)-te Individuum \(x\) gegenüber \(y\) vorzieht. Die gesammte Präferenzrelation eines Individuums kann man mit \(R_i\) bezeichnen.
  4. Mit einer kollektiven Prä­fer­enz­re­la­tion, d.i. diejenige Prä­fer­enz­re­la­tion, die später für das Kollektiv gelten soll, und die, solange nichts Näheres darüber bestimmt ist, völlig unabhängig von den individuellen Präferenzen ist. Um zu kennzeichnen, dass kollektive Präferenzen gemeint sind, wird der Index \(K\) an das Präferenzzeichen angehängt, also etwa \(x \succ _K y\). Die gesamte kollektive Präferenzrelation wird wiederum mit \(R_K\) bezeichnet.
  5. Mit Profilen von individuellen Präferenzen. Ein Profil ist dabei ein Tupel von individuellen Präferenzrelationen, in der für jedes Individuum genau eine Präferenzrelation \(R_i\) festgelegt ist. Wenn wir ein beliebiges Präferenzprofil mit \(P\) bezeichnen, dann gilt \(P = (R_1‚…, R_n)\). Zwei Präferenzprofile \(P_1, P_2\) unterscheiden sich dann, wenn mindestens ein Individuum in \(P_1\) andere Präferenzen hat als in \(P_2\). (Und es hat andere Präferenzen, wenn es wenigstens bezüglich eines Paars von Alternativen eine andere Ordnung vornimmt.)
  6. Mit der Menge aller möglichen Präferenzprofile \({\cal P}\), die, wie der Name schon sagt, jedes nur denkbare Profil von wohlgeordneten individuellen Präferenzen enthält.

Eine Kollektiventscheidungsverfahren (auch „soziale“ bzw. „ge­sell­schaft­liche Wohl­fahrts­funk­tion“ oder einfach „Sozialwahlfunktion“) ist nun eine Funktion \(f: {\cal P} \mapsto{\cal R}\), die jedem Präferenzprofil \(P \in{\cal P}\) eine „kollektive“ Präferenzrelation \(R_K \in{\cal R}\) zuordnet. Man kann auch schreiben: \(f(P_1‚…, P_n) = R_K\), wobei \((P_1‚…, P_n)\) ein bestimmtes Präferenzprofil ist, und \(R_K\) diejenige Präferenzrelation, die diesem Profil durch die Sozialwahlfunktion \(f\) zugeorndet wird.

Mit Hilfe dieses technischen Apparats kann die Frage untersucht werden, welche Entscheidungs- bzw. Abstimmungsprozeduren zum Treffen von Kollektiventscheidungen geeignet sind. Z.B. kann man damit die Frage untersuchen, ob die Entscheidung nach dem demokratischen Mehrheitsprinzip zu effizienten, gerechten und konsequenten Kollektiventscheidungen führt. Dazu müssen die entsprechenden Anforderungen an eine Sozialwahlfunktion (Effizienz, Gerechtigkeit etc.) natürlich zunächst mathematisch umschrieben werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass die Sozialwahltheorie keineswegs die einzige Theorie ist, die sich mit diesen Fragen beschäftigt. Vielmehr werden die entsprechenden Fragen in der politischen Philosophie schon seit der Antike thematisiert, und schon längst bevor es die Sozialwahltheorie als eigenes Fachgebiet gab, sind auf viele der von ihr untersuchten Probleme praxistaugliche Lösungen gefunden worden. Was die Sozialwahltheorie von früheren Ansätzen unterscheidet ist der formale mathematische Rahmen, in dem sie diese Probleme untersucht. Leider erweist sich dieser formale Rahmen nicht immer als ein Vorteil, indem viele wichtige Probleme und Fragestellungen, die im Zusammenhang mit kollektiven Entscheidungsprozessen stehen, sich innerhalb dieses Rahmens entweder überhaupt nicht oder nicht adäquat artikulieren lassen. Die Sozialwahltheorie gibt nur einen ganz bestimmten Blickwinkel auf solche Phänomene wie das der demokratischen Mehrheitsentscheidung frei. Was z.B. weitgehend ausgespart bleibt, sind sogenannte „deliberative“ Prozesse, also diejenigen Vorgänge, in denen sich – in der ökonomistischen Sprache formuliert – die Präferenzen der Individuen in Folge von öffentlichen Diskussionen veränderen, aneinander anpassen oder sich dissozieren und in Lager aufteilen. Und in einer nicht ökonomistischen Sprache formuliert, sind deliberative Prozesse all diejenigen Diskussions- und Meinungsbildungsprozesse, die, besonders in Demokratien, politischen Entscheidungen oder Abstimmungen voraus zu gehen pflegen. Will man ein richtiges und vollständiges Bild von der Natur demokratischer politischer Entscheidungsprozesse gewinnen, so ist die Sozialwahltheorie allein dafür völlig unzureichend und sollte unbedingt durch andere Theorien, z.B. solche, die deliberative Prozesse zum Gegenstand haben, ergänzt werden. Zur klassischen politischen Philosophie steht die Sozialwahltheorie also bestenfalls im Verhältnis einer Ergänzung. Keineswegs handelt es sich dabei um eine „streng wissentschaftliche“ Alternative, die die traditionelle politische Philosophie ablösen oder ersetzen könnte.

1. Zum Einstieg: Das Condorcet-Paradox

Der grundlegende Widerspruch, auf dem in der ein- oder anderen Form viele der Unmöglichkeitsbeweise der Sozialwahltheorie aufbauen, lässt sich beispielhaft am sogenannten Condorcet-Paradox erläutern. Angenommen, wir haben drei Individuen \(A\)‚\(B\), \(C\), die über drei Alternativen \(x\)‚\(y\)‚\(z\) abstimmen wollen. Alle Individuen sind dabei gleichberechtigt. Ihre Präferenzen sind folgendermaßen verteilt:

\(A\) \(B\) \(C\)
\(z\) \(x\) \(y\)
\(x\) \(y\) \(z\)
\(y\) \(z\) \(x\)

Welche Alternative sollte gewählt werden? Jede Alternative steht einmal an erster, einmal an zweiter und einmal an dritter Stelle. Man kann also keine Alternative ohne Weiteres als die kollektiv beste auszeichnen, wenn man nicht eines der Individuen in ungerechter Weise bevorzugen will. Das Problem lässt sich auch nicht einfach verfahrenstechnisch lösen. Denn wollte man zum Beispiel Stichwahlen durchführen, so würde im ersten Wahlgang jede Alternative die gleiche Stimmenzahl erhalten, so dass man keine Alternative für den zweiten Wahlgang ausschließen könnte. Wollte man paarweise Stichwahlen durchführen, so ergibt sich jeweils, dass \(x \succ _K y\), \(y \succ _K z\), aber ebenso auch \(z \succ _K x\). Bei jedem dieser Paare wird ja das vordere Glied von jeweils zwei Individuen bevorzugt. Man nennt den Mechanismus von paarweisen Stichwahlen zur Bestimmung der bevorzugten Alternative aus einer Menge von Alternativen über die mehrere Individuen (möglicherweise) unterschiedliche Präferenzen haben auch Condorcet-Kriterium (nach dem Marquis des Condorcet, einem französischen Philosphen und Mathematiker des 18. Jahrhunderts, der dieses Kriterium vorgeschlagen hat). Das Condorcet-Kriterium zur Bestimmung der kollektiven Präferenzen würde also zu zyklischen Präferenzen führen, weil \(x \succ _K y \succ _K z \succ _K x\) gilt. Damit wäre aber die Transitivität der kollektiven Präferenzrelation verletzt. Nun haben wir zwar gesehen, dass intransitive Präferenzen keineswegs „unnatürlich“ sein müssen (siehe Seite ). Das vorliegende Beispiel zeigt ja gerade, dass sie auf eine ganz natürliche und naheliegende Weise (paarweise Stichwahlen) zustande kommen können. Aber intransitive Präferenzen werfen trotzdem sowohl theoretische („Geldpumpenargument“, siehe Seite ) als auch praktische Probleme auf. Denn welche Alternative soll man im Fall zyklischer kollektiver Präferenzen wählen, wenn man vermeiden will, irgendjemanden zu bevorzugen. Eine der naheliegendsten Lösungen um mit „Pattsituationen“ dieser Art umzugehen, besteht darin das Los entscheiden zu lassen, denn beim Losverfahren bleibt die demokratische Gleichheit dadurch gewahrt, dass jeder die gleichen Chancen hat. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass wir dieses Mittel seit der Antike in zahlreichen Satzungen und Verfassungen für u.a. diejenigen Fälle vorgesehen finden, in denen eine Abstimmung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt []delong:1991. (Ein anderer wichtiger Grund für den Einsatz des Losverfahren ist, dass es sich nicht wie Abstimmungen durch Stimmenkauf oder Erpessung manipulieren lässt. Bei historischen Beispielen der Verlosung von Ämtern (z.B. im antiken Athen oder in den italienischen Republiken in der Zeit der Renaissance) kommt hinzu‚1Darauf hat mich Rudolf Schüssler aufmerksam gemacht. dass man auf diese Weise verhindern wollte, dass dieselben Ämter immer in der Hand derselben Familien bleiben.)

Die mögliche Entstehung zyklischer kollektiver Präferenzen ist nur eins von mehreren Problemen, an denen Abstimmungsverfahren leiden können. Ein weiteres mögliches Problem bestimmter Abstimmungsverfahren, das bei „ungünstig“ verteilten individuellen Präferenzen auftreten kann, ist das der Pfadabhängigkeit. Angenommen, wir hätten uns entschlossen, statt, wie eben, über alle Paare abzustimmen, zunächst zwischen einem beliebig herausgegriffenen Paar von Alternativen abszustimmen und dann zwischen dem Gewinner dieser Abstimmung und der verbleibenden Alternative. (Sollte es mehr als drei Alternativen geben, kann man das Verfahren einfach noch einmal durchführen, solange bis am Ende eine Alternative gewonnen hat.) Die Teilnehmer \(A‚B\) und \(c\) aus der Tabelle auf Seite würden also z.B. zuerst über \(x\) und \(y\) abstimmen, wobei \(x\) mit 2 Stimmen zu einer Stimme gewinnt. Dann stimmen sie über die verbleibende Alternative \(x\) oder \(z\) ab. Diesmal gewinnt \(z\) mit 2:1 Stimmen. Das Problem besteht nun darin, dass eine ganz andere Alternative gewonnen hätte, wenn nicht mit der Abstimmung über \(x\) und \(y\) begonnen worden wäre, sondern z.B. mit der Abstimmung über \(x\) und \(z\) begonnen, dann hätte sich zunächst \(z\) gegen \(x\) behauptet, aber bei der anschließenden Stichwahl zwischen \(z\) und \(y\) hätte \(y\) gewonnen. Das Abstimmungsergebnis hängt also (bei entsprechend ungünstig verteilten Präferen) in kontingenter Weise von der Reihenfolge der Abstimmung (bzw. dem gefählten „Pfad“) ab. Man könnte auch sagen, der Sieg von \(z\) im ersten Fall bzw. von \(y\) im zweiten Fall ist bloß ein „Artefakt des Abstimmungsmechanismus“. (Eine präzise Definition des Begriffs des „Artefakts eines Abstimmungsmechanismus“ könnte lauten: Eine Artefakt eines Abstimmungmechanismus ist ein Abstimmungsergebnis, das nur durch die Verletzung unserer Erwartungen an einen fairen und vernünftigen Abstimmungsmechanismus zustande gekommen ist. In dem Beispiel eben wäre dan die Erwartung verletzt, dass ein Abstimmungsmechanismus pfadunabhängig sein sollte.) Unter Umständen könnte dieses Problem sogar Manipulationsmöglichkeiten für einen geschickten Wahlleiter eröffnen, der die Reihenfolge der Stichwahlen festlegen darf (siehe Übungsaufgabe auf Seite ).

Dasselbe Beispiel verdeutlicht zugleich ein weiteres Problem – wenn man es für ein Problem hält –, nämlich das des strategischen Wählens. Nehmen wir an, die Reihenfolge der Abstimmungen sei bereits dahingehend festgelegt, dass zunächst zwischen \(x\) und \(y\) und dann zwischen der Siegeralternative und \(z\) abgestimmt wird. Angenommen nun, Individuum \(B\) würde in der ersten Runde nicht für \(x\), sondern „strategisch“, d.h. entgegen den eigenen Präferenzen, für \(y\) stimmen, dann würde sich \(y\) in der zweiten Runde durchsetzen und \(B\) hätte vermieden, dass die aus \(B\)s Sicht schlechteste Alternative \(C\) gewinnt. „Strategisches Wählen“ kann man insofern als ein Problem ansehen, als die Transparenz eines Abstimmungsvorgangs darunter leidet, erst recht dann, wenn sich alle Beteiligten solcher Ticks bedienen. Nun wäre es sehr naheliegend, um solche Probleme zu vermeiden, die Forderung zu erheben, nur solche Abstimmungsverfahren zu verwenden, bei denen keine „Artefakte“ auftreten können. Leider gibt es, wie u.a. der weiter unten (Kapitel ) zu besprechende Satz von Arrow zeigt, kein Verfahren, das in dieser Hinsicht alle Wünsche erfüllen könnte. Irgendwelche (möglichen) Artefakte muss man bei jedem Abstimmungsmechanismus in Kauf nehmen. Und welches Abstimmungsverfahren man unter dieser Bedingung für das „bestmögliche“ hält, hängt wiederum davon ab, welche Einschränkungen man bereit ist in Kauf zu nehmen. Darüber und auch über die Frage, wie gravierend diese Schwierigkeiten insgesamt sind, werden wir uns ausführlich im nächsten Kapitel (Kapitel ) unterhalten.2Alle hier aufgezählten „Probleme“ und noch einige mehr werden nicht ohne einen gewissen Hang zur Dramatisierung bei William Riker breit getreten []riker:1982. Eine knappe und sehr verständliche Zusammenfassung der beschriebenen Phänomene findet man bei Gerry Mackie [S. 5-9]mackie:2003, der Riker’s skeptischen Schlussfolgerungen bezüglich demokratischer Entscheidungsverfahren ansonsten aber entschieden wirderspricht. Schließlich, und als wären die aufgezählten Probleme: zyklische kollektive Präferenzen, Pfadabhängikeit, Manipulation durch Festlegung der Abstimmungsorgnung bzw. -reihenfolge, strategisches Wählen nicht schon genug, kann man auch das der Tatsache, dass es keinen einzigen Abstimmungsmechanismus gibt, der alle Probleme vermeidet, sondern eine Vielzahl von alternativen Abstimmungsverfahren mit jeweils unterschiedlichen Schwierigkeiten, ein Problem machen. Denn da unterschiedliche Abstimmungsmechanismen unter Umständen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, so entsteht auch auf dieser ebene ein Kontingenzproblem: Wie kann man noch von einem Abstimmungsverfahren sagen, dass es die individuellen Präferenzen in angemessener Form berücksichtigt und zu einer kollektiven Präferenz bündelt, wenn es mehrere mehr oder weniger gleich guter und gleich schlechter Verfahren gibt, die möglicherweise zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Zum Schluss sein noch darauf hingewiesen, dass es sich bei den hier beschriebenen Phänomenen nicht ausschließlich um ein Problem von Abstimmungen und Kollektiventscheidungen (auch wenn es dabei vielleicht häufiger auftritt), denn nach dem gleichen Muster kann man – wie zuvor (S. ) schon einmal angedeutet – auch zyklische individuelle Präferenzen konstruieren. Insofern ist es ein Problem, dass den Kern der Theorie betrifft. Dazu ein Beispiel: Eine Person steht vor der Wahl mit welchem ihrer drei Kollegen und Kolleginnen Peter, Lisa und Klaus sie gemeinsam an einem Projekt arbeiten möchte. Die drei Kollegen und Kolleginnen unterscheiden sich dabei hinsichtlich der drei Eigenschaften nett, fleißig und pünktlich. In der folgenden Tabelle ist die Rangfolge der Kollegen und Kolleginnen für jede dieser Eigenschaften angegeben:

nett fleißig pünktlich
1. Peter Lisa Klaus
2. Lisa Klaus Peter
3. Klaus Peter Lisa

Geht man danach, welcher Kollege bei mehr guten Eigenschaften besser ist als ein anderer (paarweiser Vergleich nach dem Condorcet-Verfahren), so ergibt sich auf ganz natürliche Weise die „zyklische“ Präferenzstruktur: \(Peter \succ Lisa \succ Klaus \succ Peter\).

Das Muster der Verteilung individueller Präferenzen, das sich in beiden Tabellen wiederfindet, tritt in der Sozialwahltheorie ebenso wie in der Wahl- und Abstimmungstheorie sehr häufig auf. Viele „paradoxe“ Ergebnisse in diesen Theorien beruhen in der ein- oder anderen Weise auf diesem Muster, so auch das weiter unten folgende „Paradox des Liberalismus“.

2. Das sogenannte „Paradox des Liberalismus“

Nach diesem Einstieg gehen wir nun zunächst zu einem der einfacheren Beispiele der Sozialwahltheorie über, dem sogennanten „Paradox des Lieberalismus“ von Amartya Sen []kliemt-lahno:2005. Die Bezeichnung erscheint – zumindest im Deutschen – ein wenig unglücklich, denn es handelt sich dabei eher um ein Paradox der Demokratie als des Liberalismus im engeren Sinne. Hinter dem Namen verbirgt sich jedenfalls Folgendes: Um faire Kollektiventscheidungen über eine Menge von Alternativen zu treffen, soll eine „Verfassung“ verabschiedet werden, die ein entsprechendes Entscheidungsverfahren vorgibt, das folgenden Bedingungen genügt:

  1. Minimale Fairness3Zuweilen wird diese Bedingung auch als „Bedingung des minimalen Liberalismus“ bezeichnet []kliemt-lahno:2005. Aber die Bezeichnung ist schon deshalb irreführend, weil „Liberalismus“ eigentlich meint, dass es bestimmte Dinge gibt, die überhaupt nicht kollektiv entschieden werden müssen, nicht aber, dass bei einem Kollektiventscheidungsverfahren jeder einmal zum Zuge kommen müsse. (Prärogativrecht): Jeder soll das Recht haben, die Kollektiventscheidung für mindestens ein Paar von Alternativen festzulegen. Wer über welches Paar von Alternativen entscheiden darf, wird in der Verfassung festgelegt. Die Bedingung der „minimalen Fairness“ garantiert jedem, nicht vollständig übergangen zu werden.
  2. Unbeschränkter Bereich: Jedes beliebige individuelle Präferenzprofil ist zugelassen (sofern es die Bedingungen einer wohlgeformten Präferenzrelation erfüllt). Diese Bedingung besagt einerseits, dass die Individuen völlig frei sind, ihre persönlichen Präferenzen zu wählen, und andererseits, dass die gesuchte Entscheidungsprozedur der Möglichkeit beliebig verteilter individueller Präferenzen Rechnung tragen muss.
  3. Einstimmigkeit oder auch „Pareto-Effizienz“: Wenn alle Individuen eine bestimmte Alternative einer anderen vorziehen, dann sollte auch nach dem Kollektiventscheidungsverfahren diese Alternative vor der anderen rangieren.4Da sie etwas leichter zu verstehen ist, wurde hier als Voraussetzung die schwache Pareto-Bedingung anstatt der sonst üblichen starken Paretobedingung gewählt. Der Beweis lässt sich aber genauso mit der starken Pareto-Bedingung führen (siehe Aufgabe ).

Allen drei Bedingungen kommt ein gewisser Grad von Selbst­ver­ständ­lich­keit zu, d.h. man ist leicht geneigt zu verlangen, dass jede einigermaßen faire und sinnvolle Entscheidungsprozedur mindestens diese drei Bedingungen erfüllt. Es lässt sich nun jedoch zeigen, dass es unmöglich ist, alle drei Bedingungen auf einmal zu erfüllen. Um das zu zeigen, gehen wir von dem einfachsten Fall aus, in dem wir es mit zwei Individuen und drei Alternativen zu tun haben. Die Individuen bezeichnen wir mit \(A\) und \(B\), die Alternativen mit \(x‚y‚z\). Nun soll in der „Verfassung“ festgeschrieben werden, wer über welches Paar von Alternativen entscheiden darf. Wir nehmen an, dass das Individuum \(A\) über \(y\) und \(z\) und Individuum \(B\) über \(x\) und \(z\) entscheiden darf, d.h. wenn \(P\) die Menge der Alternativen bezeichnet, über die ein Individuum die „Prärogative“ ausübt, dann gilt:

\[P_A = \{x‚z\}\]\[P_B = \{y‚z\}\]

Die Unmöglichkeit eines Entscheidungsverfahrens, das alle drei Bedingungen erfüllt, ist dann bewiesen, wenn wir Präferenzen für \(A\) und \(B\) finden, mit denen keine eindeutige Kollektiventscheidung mehr getroffen werden kann. Dies ist aber für folgende Präferenzen der Fall:

\[A:\qquad y \succ x \succ z \]\[B:\qquad z \succ y \succ x \]

Mit diesen Präferenzen kann keine der drei Alternativen als die beste gewählt werden, denn:

  1. Aufgrund der Präferenzen von \(A\), und da \(A\) die Prärogative über \(x\) und \(z\) ausübt, kann \(z\) nicht gewählt werden.
  2. Aufgrund der Präferenzen von \(B\), und da \(B\) die Prärogative über \(y\) und \(z\) ausübt, kann \(y\) nicht gewählt werden.
  3. Aufgrund der Einstimmigkeitsbedingung und der Präferenzen beider, kann aber auch nicht \(x\) gewählt werden.

Damit ist gezeigt, dass es unmöglich ist, ein Entscheidungsverfahren zu finden, dass die Präferenzen von \(A\) und \(B\) unter Berücksichtigung der Fairness-, Unbeschränktheits- und Einstimmigkeitsbedingung auf kollektive Präferenzen abbilden kann, da keine der möglichen Alternativen in der kollektiven Präferenzordnung an erster Stelle auftauchen dürfte.

Die Gültigkeit des Beweises hängt nicht davon ab, welche Prärogativen man wählt (Übungsaufgabe ). Es ist aber sehr wohl entscheidend für den Beweis, dass die Prärogativen im vorhinein festgelegt werden, d.h. bevor etwas über die Präferenzen der Individuen bekannt ist (Übungsaufgabe ).

An dieser Stelle sei ein kleiner Einschub gestattet zu der Frage: Wie kommt man auf diese Lösung? Die Beweisführung gelingt nämlich nur, wenn man zuvor die Präferenzen der Individuen geschickt festlegt. Wie findet man aber heraus, welches die Präferenzen sind, mit denen sich der Beweis nachher richtig führen lässt? Nun, in diesem Fall sollte man versuchen, die Präferenzen ausgehend von den drei Bedingungen zu wählen (wobei die Bedingung des unbestimmten Bereiches schon dadurch abgegolten ist, dass wir die Präferenzen frei wählen dürfen, und hier also nicht noch einmal in Betracht kommt). Dabei ist es hilfreich, wenn man mit der Einstimmigkeitsbedingung anfängt. Damit man aufgrund der Einstimmigkeitsbedingung eine Alternative ausschließen kann, müssen die Präferenzen beider Individuen auf jeden Fall bei einem Paar von Alternativen (hier \(x\) und \(y\)) gleichgeordnet sein. So scheidet aufgrund der Einstimmigkeitsbedingung schon einmal eine Alternative aus. Die verbleibende Alternative (\(z\)) muss nun so in die Präferenzen eingeordnet werden, dass mit Hilfe der Prärogative des einen Individuums, die bevorzugte der beiden anderen Alternativen (\(y\)) ausfällt, und dass zugleich die verbleibende Alternative (\(z\)) ausgeschlossen wird.

Kann man aus diesem Beweis inhaltliche Schluss­fol­ger­ung­en be­züg­lich der Demokratie bzw. der Möglichkeit und Fairness demokratischer Entscheidungsverfahren ziehen? Mit einiger Vorsicht kann wohl folgende Schlussfolgerung gezogen werden: Eine Idealvorstellung dergestalt, dass in der Demokratie den Interessen jedes Bürgers (ausgedrückt durch die Präferenzen) wenigstens eine gewisse Berücksichtigung (ausgedrückt durch die Prärogative) garantiert (unbeschränkter Bereich) werden könnte, lässt sich nicht unter allen Umständen (Effizienz- bzw. Einstimmigkeitsgebot) halten.

Wie man sieht – aber das ist ein Grundproblem des Ansatzes – sind inhaltlich nur relative schwache, d.h. nahe an der Grenze zur reinen Binsenweisheit liegende Schlussfolgerungen möglich. Denn, dass in der Demokratie nicht alle Interessen berücksichtigt werden (können), ist schon aus anderen, pragmatischen Gründen relativ offensichtlich. Zugleich ist aber jedem die Möglichkeit und damit auch die Chance gegeben, für die eigenen Interessen zu kämpfen. Dass diese Chancen höchst ungleich verteilt sind, stimmt leider ebenso, hängt aber weniger mit logisch-mathematischen Abbildungsproblemen als mit der innergesellschaftlichen Reichtums-, Macht- und Einkommensverteilung etc. zusammen.5Aufschlussreich hinsichtlich der Machtressourcenverteilung als Funktionsvoraussetzung der Demokratie ist die Zusammenfassung bei Schmidt [S. 438ff.]schmidt:2000.

Aber auch wenn keine unmittelbaren starken demokratietheoretischen Schlussfolgerungen aus dem „Paradox des Liberalismus“ gezogen werden können, ist ein Verständnis der logischen Eigenschaften von Abstimmungs- bzw. Kollektiventscheidungsverfahren – neben den nicht minder wichtigen psychologischen Rahmenbedingungen – wichtig, wenn es um die Frage geht, welche Abstimmungsverfahren man für welchen Zweck heranziehen bzw. wie man sie gestalten sollte.

3. Der „Klassiker“ der Sozialwahltheorie: Der Satz von Arrow

Ein historischer Vorläufer des sogennanten „Paradox des Liberalismus“ und recht eigentlich der Klassiker der Sozialwahltheorie ist allerdings der „Satz von Arrow“. Der Beweis des „Satzes von Arrow“ ist einiges komplizierter als das „Paradox“ des Liberalismus, sollte aber, da er im Grunde nur relativ elementare mathematische Mittel voraussetzt, dennoch verständlich sein. Um es so einfach wie möglich zu machen, wird der Beweis in drei Teilbeweise zerlegt, die wir Schritt für Schritt durchgehen werden.

Interessierte können sich gerne auch den zweiten und dritten Beweis in diesem Skript durchlesen. Besonders der dritte Beweis sollte, da er recht ähnlich ist, nicht mehr allzu schwer verständlich sein, wenn man den ersten Beweis erst einmal begriffen hat!

3.1 Das Theorem

Der Satz von Arrow zeigt – ähnlich wie Sens sog. „Paradox des Liberalismus“ – dass eine Abbildung individueller Präferenzen auf eine kollektive Präferenzordnung nicht mehr möglich ist, wenn man nur ein par „selbstverständliche“ Anforderungen an diese Abbildung stellt. Wenn wir dieses zunächst einmal mathematisch abstrakte Resultat auf demokratische Entscheidungsfindungsprozesse übertragen, dann besagt es, dass bestimmte normative Kriterien wie etwa 1) dass jeder eine faire Chance bekommen soll, 2) dass die Entscheidungsfindung effizient sein soll, 3) dass die Entscheidungsprozedur auch bei höchst unterschiedlichen Meinungen noch funktioniert, miteinander unvereinbar sein können. Da man dies den entsprechenden normativen Kriterien nicht unmittelbar ansieht, hat das Resultat schon einige Bedeutung, indem es uns auf einen möglichen Zielkonflikt aufmerksam macht. Wie bei beinahe allen Resultaten der Sozialwahltheorie muss man allerdings auch hier die Frage stellen, inwieweit die abstrakt-mathematische Formulierung die entsprechenden konkret-empirischen Zusammenhänge richtig erfasst.

Zum Anforderungskatalog, auf den sich der Satz von Arrow bezieht, gehören nun folgende Bedingungen:

  1. Diktaturfreiheit: Es dürfen sich nicht in jedem Fall (d.h. bei jedem möglichen Profil von individuellen Präferenzen) die Präferenzen von ein- und demselben Individuum durchsetzen. Diese Bedingung ist vergleichweise schwächer als die Bedingung der „minimalen Fairness“ im Falle des Paradoxes des Liberalismus, indem sie immer noch zulässt, dass einzelne Individuen völlig übergangen werden, solange nicht alle bis auf ein Individuum übergangen werden.
  2. Unbeschränkter Bereich: Jedes beliebige individuelle Präferenzprofil, das die Bedingungen einer wohlgeformten Präferenzrelation erfüllt, ist zugelassen.

  3. Einstimmigkeit bzw. Pareto-Effizienz: Wenn alle Individuen eine bestimmte Alternative einer anderen vorziehen, dann sollte auch nach dem Kollektiventscheidungsverfahren diese Alternative der anderen vorgezeogen werden.6Statt der schwachen Pareto-Bedingung kann man hier ebenso gut die starke Paretobedingung einsetzen (siehe Aufgabe ).

  4. Unabhängigkeit von dritten7Häufig wird diese Bedingung auch „Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen“ genannt. Wie bereits zuvor (Seite ) an einigen Beispielen dargelegt, ist diese Bezeichnung irreführend, da dritte Alternativen in manchen Fällen sehr wohl und zu Recht einen Einfluss auf die Rangordnung eines Paars von Alternativen ausüben. Alternativen bzw. Paar­wei­se Un­ab­häng­ig­keit: Die Anordnung, die das Kollektiventscheidungsverfahren zwei Alternativen zuweist, sollte allein von der Ordnung dieser beiden Alternativen in den Präferenzen der Individuen abhängen und nicht davon, wie andere Alternativen in den Präferenzen der Individuen eingeordnet sind.

    Anders als bei der Paretobedingung legt die Bedingung der Unabhängigkeit von dritten Alternativen nicht fest, welche kollektive Wahl getroffen werden soll, wenn unterschiedliche Individuuen bezüglich bestimmter Alternativen übereinstimmen, sondern vielmehr, welche Wahl getroffen werden soll, wenn unterschiedliche Präferenzprofile bezüglich der Anordnung bestimmter Alternativen übereinstimmen. Dabei können die Individuuen innerhalb der Präferenzordnungen diese Alternativen sehr wohl unterschiedlich anordnen (siehe dazu die Aufgaben und ).

Theorem (Satz von Arrow):Es gibt (bei zwei oder mehr Individuen und drei oder mehr zur Wahl stehenden Alternativen) kein Kollektiventscheidungsverfahren, das individuelle Präferenzordnungen so auf eine kollektive Präferenzordnung abbildet, dass die Bedingungen der Diktaturfreiheit, der Ein­stim­migkeit und der Unabhängigkeit von dritten Alternativen für alle denk­bar­en indvididuellen Präferenzordnungen erfüllt sind.  

Um den Beweis des Theorems vorzubereiten, führen wir zunächst zwei weitere Definitionen ein:

  1. Eine Menge von Individuen ist vollständig entscheidend für \(x\) über \(y\), wenn das Kollektiventscheidungsverfahren \(x \succ _K y\) liefert, sobald jedes Individuum aus dieser Menge \(x\) gegenüber \(y\) vorzieht.

  2. Eine Menge von Individuen ist beinahe entscheidend für \(x\) über \(y\), wenn das Kollektiventscheidungsverfahren \(x \succ _K y\) liefert, sobald alle Individuen aus dieser Menge \(x\) gegenüber \(y\) vorziehen und alle Individuen außerhalb dieser Menge \(y\) gegenüber \(x\) vorziehen. Umgangssprachlich besagt die Definition also, dass eine Menge von Individuen „beinahe entscheidend“ ist, wenn sie nur in dem Extremfall maximaler Opposition von außerhalb entscheidend ist, aber nicht in anderen Fällen. Es gilt daher, dass eine Menge von Individuen, die „entscheidend“ ist, immer auch „beinahe entscheidend“ ist, aber nicht umgekehrt. Anmerkungen:
    1. Wenn eine Menge von Individuen beinahe (bzw. vollständig) entscheidend für \(x\) über \(y\) ist, so muss noch lange nicht gelten, dass sie auch beinahe (bzw. vollständig) entscheidend für \(y\) über \(x\) ist.
    2. Für jede Menge von Individuen und jedes Paar von Alternativen gibt es wenigstens eine beinahe (bzw. eine vollständig) entscheidende Menge. Aufgrund der Einstimmigkeitsbedingung ist für jedes Paar von Alternativen nämlich die Menge aller Individuen eine zugleich beinahe als auch vollständig entscheidende Menge, denn, sobald alle Individuen \(x\) der Alternative \(y\) vorziehen, fordert die Einstimmigkeitsbedingung, dass auch kollektiv \(x \succ _K y\) gilt.
    3. Wenn eine Menge, die nur ein Individuum enthält, vollständig entscheidend sowohl für \(x\) über \(y\) als auch für \(y\) über \(x\) ist, dann soll das Individuum „Diktator“ für die Alternative \(x\) oder \(y\) heißen.

3.2 Der Beweis des Theorems

Der wahrscheinlich einfachste Beweis, der sich für den Satz von Arrow finden lässt, folgt weitgehend Dennis Mueller [S. 583f.]mueller:2003, der sich für seine Skizze wiederum auf William Vickrey stützt. Der Satz von Arrow wird dabei über drei Zwischenschritte (Lemmata) bewiesen:

  1. Lemma: Sei \(D\) eine Teilmenge von Individuen, die beinahe entscheidend für \(x\) über \(y\) ist, dann ist \(D\) beinahe entscheidend für alle Alternativen.
  2. Lemma: Sei \(D\) beinahe entscheidend für alle Alternativen, dann enthält \(D\) ein Individuum \(J\), das (bereits allein) beinahe entscheidend für alle Alternativen ist.
  3. Lemma: Ist ein Individuum \(J\) beinahe entscheidend für alle Alternativen, dann ist \(J\) auch vollständig entscheidend für alle Alternativen (und damit Diktator für alle Alternativen).
Beweis von Lemma 1

Sei \(D\) eine Teilmenge von Individuen, die beinahe entscheidend für \(x\) über \(y\) ist, dann ist \(D\) beinahe entscheidend für alle Alternativen.

  1. Sei \(D\) eine Menge von Individuen, die beinahe entscheidend für \(x\) über \(y\) ist, wobei \(x\) und \(y\) irgendein Paar von Alternativen ist. (Anmerkung auf Seite )  
    1. Teil (Ersetzbarkeit von rechts)
  2. Annahme: Für alle Individuen in \(D\) und eine beliebige dritte Alternative \(u\) gelte \(x \succ y \succ u\) und für alle anderen Individuen \(y \succ u \succ x\). (Unbeschränkter Bereich)
  3. Dann gilt für das Kollektiv: \(x \succ _K y\). (\(D\) ist nach 1. beinahe entscheidend)
  4. Und es gilt für das Kollektiv: \(y \succ _K u\). (Einstimmigkeit iVm 2.)
  5. Und es gilt für das Kollektiv: \(x \succ _K u\). (Transitivität iVm 3. und 4.)

  6. Für das Kollektiv muss \(x \succ _K u\) unabhängig davon gelten, wie die anderen Alternativen, einschließlich \(y\), von den Individuen eingeordnet werden. (Unabhängigkeit von dritten Alternativen)

  7. Also ist \(D\) beinahe entscheidend für \(x\) über \(u\) (für jedes beliebige \(u\), das nicht identisch mit \(x\) oder \(y\) ist). (Definition beinahe entscheidender Mengen iVm 2., 5. und 6.)

     
    Damit ist der erste Teil des Beweises von Lemma 1 abgeschlossen. Was bis hierher bewiesen wurde ist: Wenn eine Menge \(D\) für \(x \succ _K y\) entscheidend ist, dann dürfen wir in dieser Formel den rechten Term (also das \(y\)) durch jede beliebige dritte Alternative (\(u\)) ersetzen, und die Aussage stimmt immer noch. Nun wird noch gezeigt, dass das für den linken Term (also das \(x\)) ganz genauso gilt.  
    2. Teil (Ersetzbarkeit von links)

  8. Nun nehme man anstelle der unter Punkt 2 getroffenen Annahme für \(D\) die Präferenzen \(u’ \succ x \succ y\) an, und für alle anderen Individuen \(y \succ u’ \succ x\). Dabei kann \(u’\) jede beliebige Alternative außer \(x\) und \(y\) sein. (Unbeschränkter Bereich)
  9. Dann gilt für das Kollektiv: \(x \succ _K y\). (\(D\) ist nach 1. beinahe entscheidend)
  10. Und es gilt für das Kollektiv: \(u’ \succ _K x\). (Einstimmigkeit iVm 8.)
  11. Und es gilt für das Kollektiv: \(u’ \succ _K y\). (Transitivität iVm 9. und 10.)

  12. Für das Kollektiv muss \(u’ \succ _K y\) unabhängig davon gelten, wie die anderen Alternativen, einschließlich \(x\), von den Individuen eingeordnet werden. (Unabhängigkeit von dritten Alternativen)

  13. Dann gilt auch: \(D\) ist beinahe entscheidend für \(u’ \succ _K y\) (wobei \(u’\) eine beliebige Alternative außer \(x\) und \(y\) ist). (Definition beinahe entscheidender Mengen iVm 2., 11. und 12.)

     
    Damit ist gezeigt, dass wir auch den linken Term (das \(x\)) in der Aussage, dass \(D\) eine entscheidende Menge für \(x \succ _K y\) ist, durch eine beliebige dritte Alternative (\(u’\)) ersetzen dürfen, ohne dass die Aussage falsch wird. Zusammen mit dem Resultat vom ersten Teil des Beweises bedeutet das, dass wir in der Formel \(x\) und \(y\) beliebig durch andere Alternativen ersetzen dürfen (siehe Übungsaufgabe ).  
    Schluss

  14. Aber dann ist \(D\) beinahe entscheidend für alle Paare von Alternativen. (Sukzessives Ersetzen von u im 1.Teil und von u’ im 2.Teil des Beweises)
Beweis von Lemma 2

Sei \(D\) beinahe entscheidend für alle Alternativen, dann enthält \(D\) ein Individuum, das bereits allein beinahe entscheidend für alle Alternativen ist.

  1. Sei \(D\) eine Menge von Individuen, die beinahe entscheidend für alle Alternativen ist. (Anmerkung auf Seite iVm Lemma 1)
  2. Wenn \(D\) aus nur einem Individuum besteht, dann gilt die Folgerung von Lemma 2 bereits. (offensichtlich)
  3. Besteht \(D\) aus zwei oder mehr Individuen, dann kann \(D\) in zwei nichtleere, disjunkte Teilmengen \(A\) und \(B\) aufgeteilt werden. (elementare Mengentheorie)
  4. Angenommen, für alle Individuen aus \(A\) gelte \(x \succ y \succ u\), für Individuen aus \(B\) gelte \(y \succ u \succ x\) und für alle anderen Individuen gelte \(u \succ x \succ y\). (Unbeschränkter Bereich)
  5. Für das Kollektiv gilt \(y \succ _K u\). (\(A \cup B = D\) (3.) und \(D\) ist beinahe entscheidend (1.) iVm mit den angenommenen Präferenzen (4.))  
    Fallunterscheidung: 1. Fall
  6. Falls für das Kollektiv \(y \succ _K x\) gilt, dann ist \(B\) beinahe entscheidend für \(y\) über \(x\). (Definition von „beinahe entscheidend“ iVm mit den Präferenzen (4.) und der Unabhängigkeit von dritten Alternativen)
  7. Aber dann ist \(B\) auch beinahe entscheidend für alle Alternativen. (Lemma 1)  
    Fallunterscheidung: 2. Fall
  8. Falls für das Kollektiv \(x \succ _K y\) gilt, dann gilt für das Kollektiv auch \(x \succ _K u\). (Transitivität iVm 5.)
  9. Aber dann ist \(A\) beinahe entscheidend für \(x\) über \(u\). (Definition von „beinahe entscheidend“ iVm mit den Präferenzen (4.) und der Unabhängigkeit von dritten Alternativen)

  10. Und \(A\) ist auch beinahe entscheidend für jede andere Alternative. (Lemma 1)

     
    Ende der Fallunterscheidung

  11. Eine echte Teilmenge von \(D\) (nämlich entweder \(A\) oder \(B\)) ist beinahe entscheidend für alle Alternativen. (Zusammenführung der Konsequenzen beider Fälle der Fallunterscheidung)
  12. Es gibt eine Teilmenge von \(D\), die nur ein Individuum enthält, das für alle Alternativen beinahe entscheidend ist. (Wiederholung der Schritte 2.-11. für diejenige echte Teilmenge von \(D\), die beinahe entscheidend für alle Alternativen ist, solange, bis sie nur noch ein Individuum enthält.)
Beweis von Lemma 3

Ist ein Individuum beinahe entscheidend für alle Alternativen, dann ist dasselbe Individuum auch vollständig entscheidend für alle Alternativen.

  1. Sei \(J\) das Individuum, das beinahe entscheidend für alle Alternativen ist. (Anmerkung auf Seite iVm Lemma 1 und Lemma 2)
  2. Angenommen, für \(J\) gelten die Präferenzen \(x \succ y \succ u\) und für alle anderen Individuen gelte sowohl \(y \succ x\) als auch \(y \succ u\), wobei für die Ordnung von \(x\) und \(u\) bei den anderen Individuen beliebiges gelten kann. (Unbeschränkter Bereich)
  3. Dann gilt für das Kollektiv \(x \succ _K y\). (\(J\) ist beinahe entscheidend für alle Alternativen, also auch insbesondere für \(x \succ _K y\) iVm 2.)
  4. Und es gilt für das Kollektiv \(y \succ _K u\). (Einstimmigkeit iVm 2.)
  5. Dann gilt für das Kollektiv aber auch \(x \succ _K u\). (Transitivität)
  6. Für das Kollektiv muss \(x \succ _K u\) unabhängig davon gelten, wie die anderen Alternativen, einschließlich \(y\), von den Individuen eingeordnet werden. (Unabhängigkeit von dritten Alternativen)
  7. Dann ist \(J\) vollständig entscheidend für \(x \succ _K u\). (Definition von „vollständig entscheidend“ iVm 2., insbesondere da unter 2. die Ordnung von \(x\) und \(u\) für alle Individuen außer \(x\) offen gelassen wurde.)

  8. In den Schritten 2. bis 7. wurde gezeigt, dass \(J\) vollständig entscheidend für \(x \succ _K u\) ist – bei beliebig gewählten, aber bestimmten \(x‚y‚u\). Um nun von irgendeinem Paar \(v‚w\) zu zeigen, dass \(J\) vollständig entscheidend für \(v \succ _K w\) ist, ersetze man im 2. Beweisschritt des Lemmas \(x\) durch \(v\), \(u\) durch \(w\) und \(y\) durch eine beliebige Alternative außer \(v\) und \(w\) und gehe dann die Schritte 2. bis 7. für die eingesetzten Alternativen durch.

  9. \(J\) ist vollständig entscheidend für alle Alternativen. (Anwendung des letzten Schrittes auf jedes mögliche Paar von Alternativen.)

Aus der Voraussetzung, dass es immer eine Teilmenge \(D\) und ein Paar von Alternativen \(x\) und \(y\) gibt, für die \(D\) beinahe entscheidend ist (siehe Anmerkung auf Seite ) ergibt sich in Verbindung mit Lemma 1, 2 und 3, dass es ein Individuum \(J\) gibt, dass vollständig entscheidend für alle Alternativen ist. Da dies dem Prinzip der Diktaturfreiheit widerspricht, ist es nicht möglich die Voraussetzungen des unbeschränkten Bereichs, der Einstimmigkeit, der Unabhängigkeit von dritten Alternativen und der Diktaturfreiheit gleichzeitig zu erfüllen. Damit ist der Satz von Arrow bewiesen.

3.3 Ein alternativer Beweis

Dasselbe Theorem kann auch auf andere Weise bewiesen werden. Zum tieferen Verständnis und weil dieser zweite Beweis etwas andere Beweistechniken einsetzt, sei er hier auch aufgeführt. Der Beweis stammt von John Geanakoplos []geanakoplos:1996 und läuft folgendermaßen:

Teil 1
  1. Gegeben sei eine Menge von mindestens drei Alternativen, die mit Kleinbuchstaben \(x\), \(y\), \(z\)‚…bezeichnet werden.
  2. Wenn alle Individuen \(y\) am wenigstens schätzen, dann muss \(y\) auf Grund des Einstimmigkeitsprinzips auch die schlechteste kollektive Wahl sein. Ein Präferenzprofil, bei dem alle Individuen \(y\) als die schlechteste Alternative bewerten, nennen wir ein „Profil vom Typ 1“ oder kürzer: Profil 1.8Die abgekürzte Benennung, die suggeriert, es handele sich dabei nur um ein einzelnes Präferenzprofil und nicht vielmehr um eine ganze Gruppe von Präferenzprofilen, ist – wie sich aus dem Folgenden ergibt – durch die Bedingung der Unabhängigkeit von dritten Alternativen gerechtfertigt.

  3. Wenn andererseits alle Individuen \(y\) am meisten schätzen, dann muss \(y\) ebenfalls auf Grund des Einstimmigkeitsprinzips die beste kollektive Wahl sein. Ein Präferenzprofil, bei dem alle Individuen \(y\) als die beste Alternative bewerten, nennen wir ein „Profil vom Typ 2“ oder kürzer: Profil 2.
  4. Wir betrachten nun einen Übergang von Profil 1 zu Profil 2, bei dem die Individuen ausgehend von einem Präferenzprofil vom Typ 1 nacheinander die Alternative \(y\) vom letzten auf den ersten Platz rücken. Die Reihenfolge, in der die Individuen diese Änderung vornehmen, ist beliebig wählbar, stehe danach aber für den Rest des Beweises fest. Der „Übergang“ besteht also aus einer Anzahl von Schritten, die der Anzahl der Individuen entspricht, auf einem Pfad von Präferenzprofilen. Der Pfad ist nicht eindeutig‚9Eindeutig ist wohl aber die Reihenfolge der Individuen beim „Übergang“ (zumindest an dieser Stelle des Beweises). Der Pfad ist also nicht zu verwechseln mit der Folge der Individuen sondern stellt, gegeben eine bestimte festgelegte Folge von Individuen, die Folge der Präferenzprofile dar, die entsteht, wenn die Individuen nach einander ihre Präferenzen auf die beschriebene Weise ändern. da in jedem Schritt nur die Position von \(y\) für alle Individuen festgelegt ist, nicht aber die der anderen Alternativen. Für diesen Übergang gilt:
  5. Bei dem Individuum, bei dem \(y\) den letzten Platz in der kollektiven Präferenzordnung verlässt (es sei das „zentrale Individuum“ oder auch das \(n\)-te Individuum genannt10Dabei steht \(n\) für die Anzahl der Schritte bei vorgegebenem Übergang (Punkt 4.), bis das „zentrale Individuum“ erreicht ist.), rückt \(y\) in der kollektiven Präferenzordnung vom letzten Platz sogleich auf den ersten Platz. Es gibt keine Zwischenstufen, denn sonst gäbe es ein Profil, bei dem alle Individuen bis zum \(n\)-ten Individuum \(y\) an die Spitze stellen, alle Individuen ab dem \(n\)-ten \(y\) aber (noch) ans Ende stellen, während \(y\) in der kollektiven Präferenzordnung zwischen zwei Alternativen steht, die \(x\) und \(z\) genannt seien, so dass \(x \succ _K y \succ _K z\). Nun könnten aber alle Individuen ihre Präferenzen so abändern, dass \(z\) vor \(x\) eingeordnet wird, ohne dass dadurch das relative Verhältnis von \(z\) zu \(y\) bzw. von \(x\) zu \(y\) in den individuellen Präferenzen geändert wird, da in den individuellen Präferenzen \(y\) entweder ganz am Anfang oder ganz am Ende, d.h. entweder vor \(x\) und \(z\) oder nach \(x\) und \(z\) kommt. Aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips müsste dann aber gelten \(z \succ _K x\), und da zuvor angenommen wurde \(x \succ _K y\), wegen der Transitivität auch \(z \succ _K y\), was im Widerspruch zur Unabhängigkeit von dritten Alternativen steht.
  6. Welches Individuum das zentrale Individuum ist, ist unabhängig vom gewählten Pfad. Denn die Präferenzen der Individuen stimmen hinsichtlich der relativen Ordnung von \(y\) zu allen anderen Alternativen beim gleichen Schritt zwischen sämtlichen möglichen Pfaden überein. Wegen der Unabhängikeit von dritten Alternativen, muss \(y\) dann aber auch innerhalb der kollektiven Präferenzen beim gleichen Schritt an derselben Position (Anfang oder Ende) stehen.
  7. Das \(n\)-te Individuum ist auch das zentrale Individuum bezüglich jeder Teilmenge von Alternativen, die \(y\) enthält, denn jeder mögliche Pfad bei allen Alternativen ist auch ein möglicher Pfad, wenn die Betrachtung auf eine Teilmenge von Alternativen beschränkt wird. Da die Eigenschaft, zentrales Individuum zu sein, pfadunabhängig ist (siehe den vorhergehenden Punkt), muss das zentrale Individuum für die Teilmenge dasselbe sein.
Teil 2
  1. Man betrachte nun die Folge von Individuen, in der alle bis zum \(n\)-ten Individuum \(y\) an die erste Position setzen, alle ab dem \(n\)-ten Individuum \(y\) an die letzte Position setzen, während das \(n\)-te Individuum \(y\) nach einer Alternative \(x\) und vor einer Alternative \(z\) einordnet, also \(x \succ _n y \succ _n z\).11Das Suffix „n“ bei \(\succ _n\) deutet an, dass es sich hier um die Präferenzen des \(n\)-ten Individuums handelt. (Ein Präferenzprofil, dass damit übereinstimmt nennen wir Profil vom Typ 3 oder einfach Profil 3).

  2. Beschränkt man die Betrachtung auf alle Alternativen \(\succeq _n y\), so zeigt sich, da das \(n\)-te Individuum zentrales Individuum ist, dass für die kollektiven Präferenzen \(x \succ _K y\) gelten muss.
  3. Beschränkt man umgekehrt die Betrachtung auf alle Alternativen \(\preceq _n z\), so zeigt sich aus demselben Grund, dass die kollektive Präferenz \(y \succ _K z\) gelten muss.
  4. Aufgrund der Transititvität folgt aus \(x \succ _K y\) und \(y \succ _K z\), dass \(x \succ _K z\) gilt, und zwar für alle Profile vom Typ 3.
  5. Wegen der Unabhängigkeit von dritten Alternativen muss \(x \succ _K z\) unabhängig davon gelten, wie die Individuen \(y\) zu \(x\) und \(z\) einordnen. Damit gilt \(x \succ _K z\) aber genau dann, wenn das zentrale Individuum \(x \succ _n z\) festlegt.12Anmerkung: Bis zu dieser Stelle spielte die Reihenfolge der Individuum beim „Übergang“ (siehe Teil 1 des Beweises) noch eine Rolle. Dieses Resultat ist aber unabhängig von der beim Übergang gewählten Reihenfolge. M.a.W.: Das „zentrale Individuum“ ist entscheidend für \(x\) über \(z\).13Zur Erinnerung: Damit, dass das „zentrale Individuum“ entscheidend für \(x\) über \(z\) (in dieser Reihenfolge!) ist, ist noch nicht gesagt, dass das „zentrale Individuum“ auch entscheidend für \(z\) über \(x\) (umgekehrte Reihenfolge!) ist. Das wird erst im folgenden Schritt gezeigt. Und erst dann kann man auch sagen, dass das zentrale Individuum insgesamt Diktator für das Alternativenpaar \(x\)‚\(z\) ist.
  6. Durch Vertauschen von \(z\) und \(x\) in den Schritten 1.-5. erhält weiterhin, dass auch umgekehrt \(z \succ _K x \Leftrightarrow z \succ _n x\). M.a.W.: Das „zentrale Individuum“ ist Diktator für das Paar von Alternativen \(x\), \(z\).
Teil 3
  1. Entsprechend des bisherigen Beweisgangs können wir zeigen, dass es nicht nur für \(x\) und \(z\), sondern für jedes Paar von Alternativen einen Diktator gibt. Zu zeigen ist noch, dass es sich dabei jedesmal um ein- und denselben Diktator handelt.
  2. Es gibt also für die Alternativen \(x\) und \(y\), \(y\) und \(z\) jeweils14An dieser Stelle ist noch nicht klar, dass es ein- und derselbe ist. einen Diktator.

  3. Dann kann aber kein dritter Diktator allein über \(x\) und \(z\) entscheiden, denn wenn der erste Diktator \(x \succ _K y\) festsetzt und der zweite \(y \succ _K z\), dann ist der dritte wegen der Transitivität nicht mehr frei \(x \prec _K z\) festzulegen. (Dasselbe gilt, wenn man die Zeichen \(\succ _K\) und \(\prec _K\) im vorhergehenden Satz jeweils vertauscht.) Also muss der dritte Diktator identisch mit einem der ersten beiden Diktatoren sein.
  4. Ist der dritte Diktator aber identisch mit dem ersten, dann kann der erste Diktator über \(x\) und \(y\) und über \(x\) und \(z\) entscheiden. Wenn der erste Diktator nun aber \(y \succ _K x \succ _K z\) und damit auf Grund der Transitivität \(y \succ _K z\) bestimmt, dann ist der zweite nicht mehr frei, \(z \succ _K x\) fest zu setzen. Also muss der erste Diktator auch identisch mit dem zweiten sein.
  5. Da \(x\), \(y\) und \(z\) beliebig gewählt wurden, gibt es für jedes Tripel von Alternativen genau einen Diktator. Dann gibt es aber überhaupt nur einen Diktator, denn jeder Diktator, der über ein Tripel entscheidet, in dem zwei der Alternativen \(x\), \(y\) und \(z\) vorkommen, muss mit dem Diktator über \(x\), \(y\) und \(z\) identisch sein (nur einer von beiden kann ja über dieses Paar entscheiden). Für jede beliebige Alternative \(u\) außer \(x\), \(y\), \(z\), muss aber der Diktator über \(x\), \(y\), \(u\) dann auch identisch mit dem von \(x\), \(y\), \(z\) sein. Also ist der Diktator von \(x\), \(y\), \(z\), Diktator für alle Alternativen.

Damit ist bewiesen, dass es unter den Bedingungen der Unabhängigkeit von dritten Alternativen, des unbeschränkten Bereichs und der Einstimmigkeit (Pareto-Effizienz) bei drei oder mehr Alternativen immer einen Diktator gibt. Die Bedingung der Diktatorfreiheit ist also nicht mehr erfüllbar, wenn die drei anderen Bedingungen erfüllt sind.

3.4 Ein dritter Beweis

Der folgende Beweis stammt aus dem Buch von Resnik [S. 186ff.]resnik:1987. Der Beweis ähnelt sehr stark dem ersten hier vorgestellten Beweis. Nur wird diesmal nicht zuerst gezeigt, dass es eine Teilmenge von Individuen gibt, die beinahe entscheidend für alle Alternativen ist und dann, dass sie tatsächlich nur aus einem Individuum besteht. Sondern es wird zuerst gezeigt, dass es ein Individuum gibt, dass für eine Alternative beinahe entscheidend ist, und dann, dass daraus folgt, dass dieses Individuum für alle Alternativen nicht nur beinahe sondern vollständig entscheidend ist. Die einzelnen Beweisschritte sind aber zum Teil ähnlich wie beim ersten Beweis, so dass die Lektüre des zweiten Beweises gut zur Übung und zum besseren Verständnis dienen kann.

Zunächst wird folgendes Lemma bewiesen:

Lemma 1: Es existiert immer ein Individuum, das für irgendein Paar von Alternativen beinahe entscheidend ist.

Beweis: Wie oben angemerkt existieren „entscheidende“ Mengen für jedes Paar von Alternativen. Da jede „entscheidende“ Menge immer auch „beinahe entscheidend“ ist, existieren für jedes Paar von Alternativen auch beinahe „entscheidende“ Mengen.

Wir setzten voraus, dass die Menge der Individuen und Alternativen endlich ist. Dann existiert wenigstens eine „beinahe entscheidende“ Menge, die keine echte Teilmenge enthält, die „beinahe entscheidende“ Menge wäre, denn: Man beginne mit irgend einer beliegigen „beinahe entscheidenden“ Menge. Hat diese Menge noch (nicht-leere) Teilmengen, die „beinahe entscheidende“ Mengen sind, dann wähle man irgend eine dieser „beinahe entscheidenden“ Teilmengen und stelle für diese Teilmenge dieselbe Untersuchung an, solange bis man bei einer Menge angekommen ist, die keine echten Teilmengen mehr enthält, die ihrerseits „beinahe entscheidende“ Mengen irgendeines Paares von Alternativen sind.

Wir verfügen damit über eine „minimale Menge“, die „beinahe entscheidend“ bezüglich eines bestimmten Paares von Alternativen ist. Wenn wir zeigen können, dass diese „minimale Menge“ nur noch ein einziges Individuum enthält, dann haben wir das Lemma bewiesen. Dazu kann ein Widerspruchsbeweis geführt werden. Wir nehmen also an, es gäbe eine entsprechende „minimale beinahe entscheidende Menge“, die mehrere Individuen enthält und zeigen, dass diese Annahme zu einem Widerspruch führt.

Angenommen also, \(M\) sei eine „minimale beinahe entscheidende Menge“ für die Alternative \(x\) über \(y\), die mehrere Individuen enthält. Man betrachte ein beliebiges Individuum \(J\) aus der Menge \(M\). Da die Menge \(M\) mehr Individuen als nur \(J\) enthält, und da möglicherweise noch ein „Rest“ von Individuen existiert, die nicht zu \(M\) gehören, kann man folgende drei unterschiedlichen Gruppierungen betrachten: 1) Die Menge, die nur aus dem Individuum \(J\) besteht. 2) Die Menge, die aus den Individuen von \(M\) ohne \(J\) besteht, kurz: \(M-J\). 3) Der „Rest“, d.h. alle Individuen, die nicht zu \(M\) gehören.

Da jedes beliebige Präferenzprofil zugelassen ist („unbeschränkter Bereich“) und sich die Eigenschaft eine (minimale) „beinahe entscheidende“ Menge zu sein auf alle Präferenzprofile bezieht, muss sie sich auch bei jedem beliebigen einzelnen Präferenzprofil bewähren. Man nehme an, dass es mindestens drei Güter gibt und betrachte nun folgendes Präferenzprofil:

\(J\) \(M-J\) Rest
\(z\) \(x\) \(y\)
\(x\) \(y\) \(z\)
\(y\) \(z\) \(x\)

Quelle: [S. 188]resnik:1987

Da \(M\) eine „beinahe entscheidende“ Menge für \(x\) über \(y\) ist und in diesem Präferenzprofil für alle Mitglieder von \(M\) gilt: \(x \succ y\), und alle Nicht-Mitglieder gilt: \(y \succ x\), so muss die Wohlfahrtsfunktion diesem Präferenzprofil kollektive Präferenzen zuordnen, bei denen \(x \succ y\) gilt. Darüber hinaus muss die Wohlfahrtsfunktion natürlich auch festlegen, welche Beziehung (\(\succ \), \(\prec \) oder \(\sim \)) zwischen \(x\) und \(z\) zu gelten hat. Wir betrachten die drei Möglichkeiten im Einzelnen, und zeigen, dass jede davon zu einem Widerspruch führt. Dabei ist zu beachten, dass wir nicht ausgeschlossen haben, dass die Menge „Rest“ leer sein kann. Die folgenden Argumente funktionieren aber (wovon man sich leicht überzeugen kann) auch in dem Fall, dass die „Rest“-Gruppe leer ist.

  1. Angenommen nach der Wohlfahrtsfunktion gilt für dieses Präferenzprofil \(x \succ z\). Dann muss die Wohlfahrtsfunktion nach der Bedingung der Unabhängigkeit von dritten Alternativen \(x \succ z\) auch für alle anderen Präferenzprofile liefern, nach denen \(x\) und \(z\) für jedes Individuum in derselben Weise relativ zueinander geordnet sind wie in dem gegebenen Präferenzprofil. Damit liefert die Wohlfahrtsfunktion aber immer \(x \succ z\), wenn für alle Individuen in \(M-J\) gilt \(x \succ z\) und für alle Individuen, die nicht in \(M-J\) enthalten sind \(z \succ x\). Damit ist \(M-J\) aber „beinahe entscheidende“ Menge für \(x\) über \(z\). Nach der Konstruktion von \(M\) hätte \(M\) als „minimale beinahe entscheidende Menge“ (für \(x\) über \(y\)) aber keine Teilmenge mehr enthalten dürfen, die noch „beinahe entscheidende“ Menge irgendeines Paars von Alternativen ist. Also liegt hier ein Widerspruch vor, so dass die Möglichkeit, dass die Wohlfahrtfunktion dem oben stehenden Präferenzprofil kollektive Präferenzen zuordnet, die \(x \succ z\) enthalten, ausgeschlossen ist.
  2. Angenommen, die Wohlfahrtsfunktion legt für dieses Präferenzprofil \(x \sim z\) fest. Dann ergibt sich, da bereits \(x \succ y\) gilt, dass auch \(z \succ y\). Da \(J\) aber \(z\) gegenüber \(y\) vorzieht, während alle anderen Individuen \(y\) gegenüber \(z\) vorziehen, wäre nach dem gleichen Argument wie im 1.Fall \(J\) beinahe entscheidend für die Alternative \(z\) über \(y\), was ebenfalls der Minimalität von \(M\) widerspricht. Damit scheidet die zweite Möglichkeit auch aus.

  3. Angenommen, die Wohlfahrtsfunktion liefert \(z \succ x\). Dann gilt wegen \(x \succ y\) und der Transitivität der Präferenzrelation auch \(z \succ y\). Dann liegt aber wiederum der Fall vor, dass bei dem oben angegebenen Präferenzprofil für \(J\) gilt: \(z \succ y\), aber für alle anderen Individuen: \(y \succ z\), woraus sich mit Hilfe der Bedingung der Unabhängigkeit von dritten Alternativen wiederum ergibt, dass \(J\) „beinahe entscheidend“ für \(z \succ y\) ist, im Widerspruch zur Minimalität von \(M\). Auch diese Möglichkeit scheidet aus.

Da alle Möglichkeiten zum Widerspruch führen, kann die Wohlfahrtsfunktion die individuellen Präferenzen nicht auf kollektive Präferenzen abbilden, sofern die minimale „beinahe entscheidende“ Menge \(M\) noch mehr als ein Individuum enthält.

Das erste Lemma scheint alleine noch nicht viel zu besagen, denn von dem Individuum, aus dem die Menge \(M\) am Ende besteht, ist zunächst nur bewiesen, dass es lediglich beinahe entscheidend ist, und auch das nur für ein Paar von Alternativen. Ein zweites Lemma zeigt aber, dass weit mehr dahinter steckt:

Lemma 2: Ein Individuum, das für irgendein Paar von Alternativen beinahe entscheidend ist, ist entscheidend für jedes Paar von Alternativen.

Beweis: Wir nehmen an, dass das Individuum \(J\) beinahe entscheidend für \(x\) über \(y\) ist. Es muss nun gezeigt werden, dass es dann auch entscheidend (und zwar nicht bloß beinahe entscheidend!) für alle Paare von Alternativen ist. Dies ist dann bewiesen, wenn wir zwei weitere Alternativen \(a\) und \(b\) in die Betrachtung einbeziehen und beweisen können, dass \(J\) in folgenden sieben Fällen entscheidend ist: 1) \(x\) über \(y\); 2) \(y\) über \(x\); 3) \(x\) über \(a\); 4) \(a\) über \(x\); 5) \(y\) über \(a\); 6) \(a\) über \(y\); 7) \(a\) über \(b\).

Da \(a\) und \(b\) beliebig wählbar sind, schließt der Beweis automatisch („ohne Beschränkung der Allgemeinheit“) alle weiteren Alternativen mit ein, die es außer \(x‚y‚a\) und \(b\) noch geben könnte. Gibt es außer \(x\) und \(y\) nur noch eine oder gar keine weiteren Alternativen, dann fallen nur einige der betrachteten Fälle weg, und der Beweis gilt trotzdem. Aus Gründen der Konvenienz werden in dem folgenden Beweis die Fälle in einer anderen Reihenfolge behandelt (vgl. [S.190/191]resnik:1987). Nun zu den Fällen im Einzelnen:

  1. Fall \(x\) über \(a\): Wir betrachten das Präferenzprofil, in dem \(J\) die Alternativen \(x‚y\) und \(a\) in der Reihenfolge \(x \succ y \succ a\) ordnet, und in denen die anderen Individuen die Alternative \(y\) sowohl \(x\) als auch \(a\) vorziehen, wobei zwischen \(x\) und \(a\) jede mögliche Reihenfolge zugelassen sei. Da \(J\) nach Voraussetzung beinahe entscheidend für \(x\) über \(y\) ist, muss die Wohlfahrtsfunktion bei einem solchen Profil \(x \succ y\) liefern. Da aber ebenfalls für alle Individuen \(y \succ a\) gilt, muss auf Grund der Bedingung der Pareto-Effizienz auch die Wohlfahrtsfunktion \(y \succ a\) für ein derartiges Präferenzprofil liefern. Da aber schon \(x \succ y\) gilt, liefert die Sozialwahlfunktion aufgrund der Transitivität von Präferenzen auch \(x \succ a\). Auf Grund der Bedingung der Unabhängigkeit von dritten Alternativen gilt aber, dass die Wohlfahrtsfunktion \(x \succ a\) für alle Präferenzprofile liefern muss, in denen \(x\) und \(a\) in derselben Weise relativ zueinander geordnet sind, wie in dem betrachteten Beispiel. In dem Beispiel hat \(J\) aber \(x\) vor \(a\) eingeordnet, während bei allen anderen Individuen die Ordnung beliebig war. Das bedeutet aber, dass die Wohlfahrtsfunktion \(x \succ a\) liefert, sobald \(J\) die Ordnung \(x \succ a\) festlegt. Damit ist \(J\) entscheidend (nicht bloß nahezu entscheidend!) für \(x\) über \(a\).
  2. Fall \(a\) über \(y\): Wir betrachten das Präferenzprofil, in dem für \(J\) die Präferenz \(a \succ x \succ y\) gilt, und in dem für alle anderen Individuen \(a \succ x\) und \(y \succ x\) gilt, d.h. in dem \(a\) und \(y\) der Alternative \(x\) vorgezogen werden, während die Reihenfolge zwischen \(a\) und \(y\) nicht festgelegt sein soll. Weil \(J\) beinahe entscheidend für \(x\) über \(y\) ist gilt, dass die Wohlfahrtsfunktion bei den angenommenen Präferenzen \(x \succ y\) liefert. Aufgrund der Einstimmigkeit (Pareto-Effizienz) muss die Wohlfahrtsfunktion aber auch \(x \succ a\) festlegen. Aufgrund der Unabhängigkeit von dritten Alternativen gilt das letztere wann immer \(J\) die Präferenz \(a \succ y\) enthält. Damit ist \(J\) aber entscheidend für \(a\) über \(y\).
  3. Fall \(y\) über \(a\): Betrachtet sei folgendes Präferenzprofil: Für \(J\) gilt \(y \succ x \succ a\); für alle anderen gilt \(a‚y \succ x\). Gemäß der Bedingung der Pareto-Effizienz liefert die Wohlfahrtsfunktion für dieses Profil \(y \succ x\). Da \(J\) entscheidend ist für \(x\) über \(a\), liefert sie auch \(x \succ a\) und, wegen der Transitivität der Präferenzrelation schließlich auch \(y \succ a\). Wiederum muss, wenn die Wohlfahrtsfunktion \(y \succ a\) für ein Profil liefert, in dem \(J\) die Alternative \(y\) vor \(a\) stellt, während die Ordnung von \(y\) und \(a\) für die anderen Individuen nicht festgelegt ist, auf Grund der Bedingung der Unabhängigkeit von dritten Alternativen die Wohlfahrtsfunktion \(y \succ a\) bei allen Profilen liefern, die \(y\) und \(a\) in derselben Weise ordnen, d.h. bei allen Profilen, in denen für \(J\) gilt: \(y \succ a\). Damit ist \(J\) aber entscheidend für \(y\) über \(a\).

  4. Fall \(a\) über \(x\): Man betrachte zunächst das Profil, in dem für \(J\) gilt: \(a \succ y \succ x\), während \(y \succ x‚a\) für die anderen Individuen gilt. Wir wissen bereits, dass \(J\) entscheidend für \(a \succ y\) ist. Aufgrund der Bedingung der Pareto-Effizienz liefert die Wohlfahrtsfunktion aber auch \(y \succ x\). Analog zu den vorhergehenden Fällen können wir daraus mit Hilfe der Bedingung der Unabhängigkeit von dritten Alternativen ableitent, dass \(J\) entscheidend für \(a\) über \(x\) ist.
  5. Fall \(x\) über \(y\): Wir betrachten das Profil, in dem für \(J\) gilt: \(x \succ a \succ y\). Wir wissen bereits, dass \(J\) entscheidend für \(x \succ a\) und ebenso für \(a \succ y\) ist. Also muss die Wohlfahrtsfunktion für dieses Profil \(x \succ y\) liefern. Analog zu den vorhergehenden Fällen lässt sich dann mit Hilfe der Bedingung der Unabhängigkeit von dritten Alternativen schließen, dass \(J\) entscheidend für \(x \succ y\) ist.

  6. Fall \(y\) über \(x\): Wie im vorhergehenden Fall, nur dass diesmal \(x\) und \(y\) vertauscht sind.
  7. Fall \(a\) über \(b\): Wir betrachten ein Profil, in dem für \(J\) gilt \(a \succ x \succ b\). Analog zu dem vorhergehenden Fall, können wir dann zeigen, dass \(J\) entscheidend für \(a\) über \(b\) ist.

In jedem der Fälle ist \(J\) also „entscheidend“, womit das zweite Lemma bewiesen ist. Aus dem ersten und dem zweiten Lemma ergibt sich zusammengenommen der Satz von Arrow, der damit ebenfalls bewiesen ist.

3.5 Resumé

Nachdem der „Satz von Arrow“ mathematisch bewiesen ist, stellt sich nun erst die eigentliche Frage, wie er inhaltlich beurteilt werden muss. Der Satz von Arrow scheint zu zeigen, dass es nicht möglich ist, aus individuellen Präferenzen kollektive Entscheidungen abzuleiten, die gleichermaßen effizient, vernünftig und (hinsichtlich der Berücksichtigung der unterschiedlichen individuellen Präferenzen) gerecht sind. Aber wie weit reicht diese Erkenntnis? Dass es bei der kollektiven Entscheidungsfindung Zielkonflikte zwischen Gerechtigkeitsansprüchen und Effizienzforderungen (hier repräsentiert durch die Einstimmigkeitsbedingung) geben kann, wissen wir schon aus der politischen Lebenserfahrung. Dass sie – wie der Satz von Arrow nahelegt – unvermeidlich sind, ist eine wichtige Einsicht. Dennoch stellt sich die Frage wie relevant derartige logische Beweisführungen in der Praxis sein können. Immerhin mag in der politischen Praxis die Vereinbarung von Gerechtigkeits- und Effizienzansprüchen noch an vielen weiteren Hindernissen scheitern als bloß dem im Satz von Arrow erfassten logischen Abbildungsproblem. Und die Zielsetzung, Gerechtigkeits- und Effizienzansprüche möglichst weitgehend miteinander zu vereinbaren, wird durch den Satz von Arrow keineswegs sinnlos.


Processed with \(\mathsf{valep\TeX}\), Version 0.1, May 2024.