\chapter{Vorwort} Dieses Skript gehört zur Vorlesung "`Grundlagen des Entscheidens I"', die ich im Sommersemester 2008 in Bayreuth gehalten habe. Inhaltlich habe ich mich dabei weitgehend an die bewährte Einführung von {\em Micheal D. Resnik: Choices. An Introduction to Decision Theory, University of Minnesota Press, 5th ed. 2000 \cite{resnik:1987}} gehalten, die eine ansprechende Stoffauswahl mit nicht übermäßig schwierigen mathematischen Beweisen verbindet. An vielen Stellen bin ich aber auch von Resnik abgewichen. So habe ich besonders für die Wahrscheinlichkeitsrechnung außer gängigen mathematischen Lehrbüchern vor allem die sehr gelungene Darstellung von Donald Gillies \cite{gillies:2000} herangezogen. Auch die Darstellung der Spieltheorie stützt sich überweigend auf andere Quellen. Da ich die Vorlesung zum erstenmal gehalten habe, enthält das Skript zweifellos noch zahlreiche Flüchtigkeits- und Tippfehler, die ich bei Gelegenheit noch zu korriegieren hoffe. (Wer Lust hat ein wenig Korrektur zu lesen, oder wer Fehler, besonders inhaltlicher Art(!) im Skript entdeckt, teile es mir bitte mit: eckhart\_arnold@hotmail.com) Auch bleibt es nicht aus, dass ich im Nachhinein viele Dinge anders machen würde. Im einzelnen sehe ich folgende Punkte, an denen sich eine Überarbeitung der Vorlesung bzw. des Konzepts der Vorlesung lohnen würde: \begin{itemize} \item Über der Darstellung des dogmatischen Lehrstoffes ist leider die Kritik und die Erörterung von (besseren) Alternativen zu kurz gekommen. Besonders in den letzten Abschnitten der Vorlesung, also der Spieltheorie und der Sozialwahltheorie, wäre es wichtig noch ausführlicher zu erörtern, warum die entsprechenden Ansätze nur eine äußerst begrenzte Sichtweise auf menschliches Handeln (Spieltheorie) bzw. politische Ordnung und politische Entscheidungsfindung (Sozialwahltheorie) ermöglichen. Hinsichtlich der Entscheidungs- und Spieltheorie wäre es sicherlich empfehlenswert auch Ansätze aus der Psychologie und der experimentellen Spieltheorie zum Verständnis menschlichen Handelns und Entscheidens stärker einzubeziehen. Bei der Sozialwahltheorie, die in dieser Vorlesung allerdings nur sehr kurz angerissen wird, würde es lohnend sein, auch alternative Ansätze der Demoktratietheorie anzusprechen, um zu vermeiden, dass ein falsches Bild vom Gegenstandsbereich dieser Theorien entsteht. Unweigerlich formen nämlich die Theorien, mit denen wir uns beschäftigen, das Gesamtbild des Gegenstandes, auf den sie sich beziehen. Ich könnte es mir leicht machen, und die Stoffauswahl durch den Gesichtspunkt thematischer Beschränkung auf die formale Entscheidungstheorie verteidigen. Aber dagegen rebelliert mein intellektuelles Gewissen. Denn wenn die entsprechenden Theorien nur Teilaspekte des Gegenstandes abdecken können, dann entsteht beinahe unvermeidlich ein verzerrtes Gesamtbild. Im Extremfall wäre man klüger geblieben, hätte man sich gar nicht mit der wissenschaftlichen Theorie abgegeben, sondern sich bloß auf den eigenen gesunden Menschenverstand bei der Beurteilung der Sache verlassen. Gerade der Philosophie, die doch immer die übergreifenden Zusammenhänge im Auge behalten sollte, steht es nicht an, sich mit thematischer Selbstbeschränkung herauszureden. \item Was nun die Auswahl der Themen angeht, so scheint mir, dass vor allem die Aufnahme der an sich sehr interessanten philosophischen Wahrscheinlichkeitstheorien (v. Mises und Ramsey-De Finetti, siehe Kapitel \ref{philosophischeWahrscheinlichkeitstheorien}) zu überdenken ist. Nicht so sehr wegen der mathematischen und gedanklichen Anspruchshöhe als deshalb, weil der Stoff einerseits zwar wohl zum geistigen Hintergrund der Entscheidungstheorie gehört aber für die folgenden Themen nicht unbedingt vorausgesetzt werden muss und zudem eine eigene, ausführlichere Behandlung verdienen würde. Ebenfalls zu überdenken scheint mir in diesem Fall die Aufnahme der Neumann-Morgensternschen Nutzentheorie (Kapitel \ref{NeumannMorgenstern}). Meine Motivation dafür sie aufzunehmen bestand darin, dass sie auch in den Lehrbüchern etwa zur Spieltheorie \cite{myerson:1991} auftritt, wobei die Motivation zu der doch seltsamen Konstruktion der Lotterien oft etwas im Dunkel bleibt. Mir scheint, dass die Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie im wesentlichen auf einer Illusion beruht, der Illusion nämlich man würde kardinale Nutzenwerte eines Tages so präzise messen können wie die Temperatur. Diesen Vergleich zur Physik führen Neumann und Morgenstern selbst an, wie irreführende Vergleiche mit der Physik ja immer zu den Requisiten mathematikbegeisterter Sozialwissenschaftler gehören. Aber nach 60 Jahren -- das Buch von Neumann und Morgenstern erschien 1947 -- sind wir von einer präzisen Messung von kardinalen Nutzenwerten immer noch genauso weit entfernt wie damals. Wozu soll die gewaltsame mathematische Konstruktion kardinaler Nutzenwerte gut sein, wenn man sie doch nicht präziser messen kann als durch die Frage "`Wieviel Geld gibst Du mir dafür?"' Mag sein, dass die Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie zu den unveräußerlichen Grundlagen der Spieltheorie und der Volkswirtschaftslehre gehört. Für sich betrachtet wirkt sie eher wie eine müßige mathematische Spielerei. \item Es hat sich gezeigt, dass besonders die mathematischen Beweise viele Leute vor schwer überwindliche Hindernisse stellen. Die didaktisch wohlverständliche Aufbereitung mathematischer Beweise stellt dabei eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar, die viel Zeit und Mühe erfordert. Resnik hat sich in seinem Lehrbuch dankenswerter Weise möglichst einfacher Beweisführungen bedient. Ich habe soweit als möglich versucht, die Beweisführungen nochmals einfacher und verständlicher darzustellen, aber ich möchte nicht behaupten, dass in dieser Hinsicht nicht noch ein Übriges getan werden könnte. Auch wenn es billig klingt, so kann ich in diesem Punkt doch den Mathematikunterricht in der Schule nicht ganz von Tadel freihalten, weil man dort zwar tüchtig rechnen lernt aber keine richtige Mathematik, d.h. keine Beweisführungen. \item In diesem Zusammenhang ist einzuräumen, dass die Nomenklatur in meinem Skript zum Teil uneinheitlich und manchmal ungünstig gewählt ist, besonders bei der Wahrscheinlichkeitsrechnung. In der Fachliteratur gibt es unterschiedliche Arten die Wahrscheinlichkeitstheorie darzustellen. In mathematischen Lehrbüchern ist die Mengenschreibweise üblich, d.h. man bezieht die Wahrscheinlichkeiten auf Ereignismengen. In der philosophisch orientierten Literatur greift man lieber auf eine aussagenlogische Schreibweise zurück. Meist habe ich das letztere gewählt. Für eine zukünftige Überarbeitung wäre aber eine einheitliche Schreibweise und dann höchstwahrscheinlich die Mengenschreibweise wünschenswert. (In diesem Zusammenhang scheint mir, dass die logische "`und"'-Verknüpfung bzw. die Schnittmenge mit einigem Gewinn für die Lesbarkeit durch das Zeichen "`\&"' statt durch das Zeichen "`$\wedge$"' dargestellt werden kann.) Vielleicht wäre darüber hinaus ein kurzer Anhang zur formalen Logikschreibweise, deren Kenntnis hier vorausgesetzt wird, empfehlenswert. \end{itemize} \begin{flushright} Eckhart Arnold, Bayreuth, den 25. Juli 2008 \end{flushright}